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Wo bleibt ein deutsches „Top Gear“?

Hallo Herr Keßler,

Es ist nun nicht wirklich alles rühmlich, was aus dem englischsprachigen
Raum an TV-Formaten zu uns „rüberschwappt“ – aber um eine besondere Sendung
aus England ist es für uns Automaniacs schon sehr schade:

Die Rede ist von „Top Gear“ auf BBC!

Selten habe ich einen solch lockeren und verspielten Umgang mit dem Thema
Auto erlebt und gesehen. Anders als AMS-TV bei dem aus jedem Kleinwagentest
ein bierernste „Steuererklärung“ wird oder bei anderen Anbietern, die nur
Autos ab einen Kaufpreis von min. EUR 50.000,- testen.
Nein, hier wird parteiisch, vordergründig und schnell präsentiert und
getestet. Das man bei einigen Ideen den Kopf schüttelt macht das Ganze noch
reizvoller.

Warum lieber Autopapst gibt es dieses Format nicht auf Deutsch?
Liegt es daran, daß ein Volk dessen Lieblingsbeschäftigung das samstägliche
Autowaschen ist, nicht über automobiles Lachen kann?
Vielleicht haben Sie eine Idee?!

Für alle die gerne mal was sehen möchten:
Gehen Sie auf www.youtube.com und geben Sie „Top Gear“ in die Suche ein.
Ich garantiere min. 2 Stunden vor dem Rechner!

Beste Grüße

Ciro Curatolo

PS: Ihre Youngtimer-Rubrik ist super. Fahre selbst einen 19 Jahre alten BMW
E28 und werde oft mit Halbwahrheiten alten Autos gegenüber konfrontiert:
„Der schluckt doch bestimmt!“, „So eine Umweltsauerei!“ oder „Der ist ja
schon 20 Jahre alt – wie kann man sowas kaufen!“ Alles Quatsch!
Wer einmal mitgefahren ist, der will auch einen haben.

Antwort vom Autopapst: 

Hallo Ciro,

 

Sie sprechen mir aus der Seele, und zwar gleich mehrfach!! Das „Top Gear“ wahrscheinlich weltweit das sehenswerteteste ist, was im Fernsehen über Autos gesendet wird, steht außer Frage! Der Grund, daß wir uns in Deutschland nur mit relativ drögen Magazinformaten abfinden müssen, die eigentlich bessere Werbefilme der Industrie sind, liegt im Selbstverständnis der Deutschen im Umgang mit Autos. Ein Auto muß „political correct“ sein; es darf nicht rußen, nicht saufen, nicht rasen und vor allem nicht teuer sein. Zusammen genommen also eine graue Maus auf Rädern. Leider wird das von der Politik mit dem Mäntelchen des Umweltschutzes sehr stark befördert, jedenfalls viel stärker als bei anderen „Schadstoff-Quellen“.

Leute wie wir (also Sie, Ciro, und ich….) weichen nun immer häufiger in automobile Bereiche aus, die man am besten als „off-Mainstream“ bezeichnen kann (Youngtimer, Salatöl-Autos, Top Gear). Das macht wahrscheinlich Angst (man könnte ja keine neuen Autos mehr konsumieren, wie schrecklich….), darum erhöht Papa Staat Mineral- und Kfz-Steuer und verbannt Youngtimer mit Feinstaubgeschichten und unkomfortablen Sonderregeln (07er-Kennzeichen) von den Straßen. Die Industrie hingegen schaltet in Magazinen wie „Top Gear“ keine Werbung, womit die Finanzierbarkeit schwierig wird. Aber wahrscheinlich übertreibe ich nur und sehe mal wieder alles viel zu schwarz…..

Deswegen lasse ich die Tipperei und wende mich erquicklicheren Sachen zu: Im Augenblick muß die Vorderachse meines gestern frisch erworbenen 230 TE (1983) mit neuen Bremsbelägen versehen werden!

 

Oldtimer als rollende Kulturdenkmäler

Das historische Fahrzeug immer wieder neu als Kulturgut zu thematisieren, hat sich die Initiative „Kulturgut Mobilität“ zur Aufgabe gemacht. Ziel soll es sein, in Deutschland von vielen Liebhabern gepflegte und restaurierte Oldtimer als Kulturgut zu schützen. Langfristig sollen daher die Belange dieser Interessensgruppe von den Kulturverantwortlichen in Bund und Ländern wahrgenommen werden, um so einen rechtlichen Bestandsschutz für diese Fahrzeuge zu erreichen.

Naheliegend war aus diesem Grund der Schritt zu einer Interessensgruppe, die sich seit vielen Jahren für die Erhaltung von historischen Gütern einsetzt. Die Deutsche Fachwerkstraße, eine Arbeitsgruppe innerhalb des Vereins „Arbeitsgemeinschaft Historische Fachwerkstädte e.V.“ und eine der bedeutendsten Kulturstraßen des Landes, tritt seit vielen Jahren für die Förderung des Tourismus in ihren 103 Mitgliedsstädten und für die Erhaltung historischer Fachwerk-Stadtbilder ein. Oldtimer und Fachwerkstraße: Eine fast zwingende Allianz aus statischer und mobiler Historie. Verkehrswege waren immer einer der Hauptgründe für die Entstehung menschlicher Ansiedlungen, und gerade die „Motorisierung“ hat das Bild unserer Städte und Gemeinden nachhaltig verändert.

Die Entstehung von Stadtrandsiedlungen, der Supermarkt auf der grünen Wiese, die Trennung von Leben und Arbeit waren die Ergebnisse einer immer mobileren Bevölkerung. Um so wichtiger ist der Erhalt von noch intakten Fachwerk-Stadtkernen. Eine Aufgabe, die die „Deutsche Fachwerkstraße“ mittels eines nachhaltigen Tourismuskonzepts und in Zusammenarbeit mit vielen engagierten Eigentümern solcher Gebäude sowie dem ebenso großen Engagement vieler Verantwortlicher in den Gemeinden und Ländern mit Bravour leistet. Diesen statischen Kulturdenkmälern stehen mobilen Kulturgüter gegenüber. Der Interessierte möchte mobiles Kulturgut – also Oldtimer – weniger als statische Aufreihung in Museen erleben, sondern als mehrdimensionales, fahrendes Fahrzeug. Alte Autos wollen in Bewegung erlebt werden. Mobiles Kulturgut kann man hören, riechen und rollen. Zurückgehende Zuschauerzahlen in Automobilmuseen und demgegenüber steigende Zuschauerzahlen bei Oldtimerveranstaltungen belegen dies eindrucksvoll. Wandert der Zuschauer in einem Museum am 40ten Fahrzeug vorbei sagt er nur noch „ Ah, jetzt kommt das 41ste.“ Bewegt sich aber ein „rollendes Museum“ von 130 Fahrzeugen der Baujahre bis 1930 über die Straße Mannheim–Pforzheim–Mannheim, um an die Pioniertat der Bertha Benz zu erinnern, stehen alleine an diesem Wochenende Tausende an der Strecke.

So soll es auch am 10. September 2006, dem Tag des offenen Denkmals werden. An diesem Tag wird die fertiggestellte überörtliche Beschilderung der Regionalstrecke „Vom Harz zum Thüringer Wald“ von Schmalkalden über Mühlhausen nach Stolberg der Öffentlichkeit präsentiert. Die beteiligten Städte und Gemeinden möchten mit einem besonderen Programm möglichst viele zwei- und vierrädrige Oldtimer auf dieses bezaubernde Teilstück der „Deutschen Fachwerkstraße“ locken. Die Stadt Mühlhausen wird an diesem Tag ihre historische Fachwerk-Altstadt für die Oldtimer öffnen. Regionale Oldtimerclubs veranstalten eine Punktefahrt, wobei die mit möglichst vielen Punkten gefüllte Bordkarte nachmittags bei der zentralen Veranstaltung in Mühlhausen gegen ein Erinnerungsgeschenk eingetauscht werden kann. Besonders willkommen sind aber die vielen Oldtimerclubs und -stammtische, die (unorganisiert!) die Teilstrecke der Deutschen Fachwerkstraße – egal ob von Nord nach Süd oder von Süd nach Nord – befahren sollen. Ziel dieses Tages, der in die bundesweite Aktion der FIVA (Fédération Internationale Vehicules Anciens) mit dem Namen „Flagge zeigen / Oldtimer erLeben“ eingebunden sein wird, soll ein Aktions- vielleicht auch Protesttag sein, der unsere Oldtimer als lebendiges Kulturgut zeigt und der Politik verdeutlicht, dass mobiles Kulturgut auch mobil erhalten bleiben muss.