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Und nun: Das Wetter.

 

Der Winter in meiner Heimatstadt Bonn geht so: Ab November regnet es, im Januar wird der Regen etwas kälter, Mitte März ist alles vorbei. An der Kleidung merkt man den Wechsel der Jahreszeit vor allem daran, dass man einen Pullover über das T-Shirt zieht und an schlimmen Tagen auch mal den Wintermantel aus dem Schrank holt. In Berlin geht Winter ganz anders. Interessant deswegen auch die die Art und Weise, wie sich die Mode mit den Temperaturen ändert.

Zwischen 2 und 5 Grad:
Die meisten Berliner sehen noch nicht ein, dass sie anfangen soll, ihren Kleiderschrank umzuräumen. Sie tragen die Kleidung aus dem Sommer in diversen Schichten übereinander. Berliner Frauen haben deswegen auch den Trend geschaffen, dass sie einen unter einem Rock eine Jeans tragen. Oder umgekehrt. Etwas empfindliche Studentinnen, die gerade aus Freiburg gekommen sind, um hier ihr Theologiestudium zu beenden, tragen schon mal Handschuhe und einen Schal.

Zwischen 1 und -3 Grad:
Langsam ändert sich das Bild. Viele Menschen frieren und haben angefangen, die Kartons mit den Wintersachen aus dem Keller zu räumen. Deswegen riecht es jetzt in U-Bahnen nicht mehr nach abgestandenem Schweiß sondern wie in einer Mottenkiste. Der Berliner, mit den aktuellen Modetrends nicht immer sofort einer Meinung, trägt gerne bewährtes, so dass man auf seiner Fahrt zur Arbeit immer ein buntes Potpourri der Mode aus den letzten 10 Jahren bewundern kann. Von diesen Temperaturen an sieht man bestimmte Mädchen, die meist Sandy, Mandy, Cindy oder Mindy heißen in riesigen Daunenjacken rumlaufen, unter denen sie darunter weiter ihr bauchfreies Top tragen.

Zwischen -3 und -6 Grad:
Fast alle Berliner haben eingesehen, dass der Sommer tatsächlich vorbei ist und die niedrigen Temperaturen bleiben. Fast alle Berliner frieren. Deswegen haben sie auch schon mal die Kiste mit den Klamotten aus dem Keller geholt, die sie eigentlich seit ein paar Jahren schon weggeben wollten. Ja, auch der Berliner findet, dass man ab einem gewissen Zeitpunkt bestimmte Moden nicht mehr tragen kann. Die Berliner, die das nicht so sehen, machen dann irgendwann einen Retro-Modeladen in einem Trendbezirk auf und werden reich.

Zwischen -7 Grad und -10 Grad
Ab dieser lächerlichen Kälte frieren ausnahmslos alle Berliner. Die arme Freiburger Theologiestudentin hat ihre süße Mansarden Wohnung in Berlin Friedrichshain mit dem romantischen Kohleofen verlassen und ist zu ihren Eltern nach Freiburg gefahren, bis das Wetter wieder besser wird. Ab diesem Zeitpunkt ist es dem Berliner völlig egal was er trägt. Er zieht einfach alles an, was er hat, ohne Rücksicht auf Mode oder das Farbempfinden anderer Menschen. Deswegen sehen viele Berliner jetzt aus wie eine seit Jahren mit tausenden von Plakaten immer wieder überklebte Litfasssäule. Ungefähr so bewegen sie sich auch.

Ab -11 Grad plus scharfer Ostwind und Schneeverwehungen
Die ersten Fahrradfahrer tauchen wieder auf, weil sie es nicht einsehen, sich dem Wetter zu beugen. Man kann nicht mehr unterscheiden, ob man mit einem Mann oder einer Frau spricht, weil sich alle bis zur Unkenntlichkeit vermummen. Sexuelle Aktivitäten erfordern mindestens drei Stunden Vorbereitungszeit, weil man so lange braucht, um sich auszuziehen. Die Sommerklamotten werden in den Keller geräumt, weil man davon ausgeht, dass es nie mehr warm wird. Viele Berliner erwägen den Kauf eines handlichen Flammenwerfers für den Weg zur Arbeit. Die letzten Restaurants räumen ihre Außentische rein.

Sobald allerdings die Sonne wieder rauskommt und die Temperaturen wieder die 5 Grad übersteigen, werden FlipFlops getragen. Zur Not mit Socken.