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Aberglauben, revisited

 

Nachts, halb zwei, man stolpert die Treppen der hässlichsten U-Bahn-Station Berlins (Nauener Platz) herunter. Weicht in letzter Sekunde einem volltrunkenen Mittfünfziger aus, der sich erbrechend einen Weg zum Mülleimer bahnt. Betritt endlich die rettende U-Bahn der Linie U-9. Am Bahnhof Zoo steigt ein Mann zu, der offensichtlich von einer Kostümfeier kommt. Er ist voll und ganz als Cowboy verkleidet, inklusive Fransenwildlederjacke, Sporenstiefel und breitestkrempigem Hut. Er setzt sich mir gegenüber. Die U-Bahn fährt an.

Mit einem Mal ertönt es: „Guten Morgen, die Fahrscheine bitte“. Mir wird übel. Ich habe es wirklich vergessen, mir einen Fahrschein zu kaufen. Ich fahre oft und viel mit Bus und U-Bahn, ich zahle stets für mein Ticket, aber dieses Mal – tja. Der Cowboy schaut auch unruhig. Die Kontrolleure gehen durch den Wagen, kontrollieren alle Fahrgäste – nur den Doppelsitz mit dem Cowboy und mir lassen sie aus. An der Spichernstraße verlassen sie den Wagen. Der Cowboy grinst mich an. Breit. Einmal rum um den Kopf. Und langt in die Innentasche seiner Fransenjacke. Zieht – und ich schwöre, dass es wahr ist – ein Hufeisen hervor. Zwinkert mir einmal zu. Und steckt es wieder in die Tasche.