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Flugverbotszone jetzt!

 

Der Westen darf nicht länger zögern, die libysche Bevölkerung zu schützen

Auf was wartet der Westen, um eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten? Muss Muammar al-Gadhafi erst erneut damit beginnen, die Bevölkerung zu bombardieren? Diesmal vielleicht in einer Schlacht um Tripolis, in der er, wie angekündigt, lieber kämpfend untergehen will als abzutreten?

In der Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates am vergangenen Freitag verglich der vom Regime abgefallene libysche Gesandte den derangierten Diktator mit Menschenschlächtern wie Pol Pot und Adolf Hitler. Wie diese beiden rufe auch Gadhafi seinem Volk zu: „Entweder ich beherrsche euch oder ich töte euch!“ Viel spricht dafür, dass der Diplomat mit seiner Einschätzung Recht hat. In einem Interview mit amerikanischen Journalisten trat Gadhafi unlängst auf wie eine Mischung aus Nero und Erich Mielke – völlig entrückt von der Wirklichkeit, gefangen im Wahn von einem ihm ergebenen Volk, rationaler Ansprache unzugänglich.

Angesichts der kompletten Unberechenbarkeit dieses Mannes müssen sich Europa und Amerika darauf vorbereiten, notfalls das Schlimmste für die Libyer zu verhindern, und zwar besser heute als morgen. Doch statt handfester Initiativen für eine Flugverbotszone hört man aus Washington, Berlin, London und Paris nur vage Ankündigungen. Eine Luftraumsperrung müsse als Option „erwogen“ werden, lassen die Außenminister verlauten. Lady Ashton, die „Hohe Vertreterin“ für Außenpolitik in Brüssel, kommt nicht einmal auf den Gedanken, die Europäer zu einer gemeinsamen Position zu drängen. Die Baroness legt es dieser Tage offenbar darauf an, aller Welt zu beweisen, was für eine blamable Fehlbesetzung sie in dem Amte ist.

Eine Flugverbotszone ist keine verkehrspolizeiliche, sondern eine robuste und gefährliche militärische Aktion. Zunächst müsste die libysche Luftabwehr ausgeschaltet werden. Dabei würden aller Voraussicht nach Menschen sterben. Als nächstes müssten westliche Piloten bereit sein, libysche Kampfjets notfalls abzuschießen – und selbst das Risiko eingehen, abgeschossen zu werden. Laut Schätzungen des Londoner International Institute for Strategic Studies (IISS) verfügt Gadhafi über rund 230 Kampfflugzeuge, vor allem MiGs, und 35 Kampfhubschrauber. Das wäre, wenn die Zahlen stimmen, eine beeindruckende Flotte.

Umsetzen könnte Europa eine no-flight zone ohnehin nur im Nato-Verband. Die Allianz verfügt nicht nur über die Awacs-Boeings, Jets und Tankflugzeuge, die dafür notwendig wären, sie hätte auch die notwendige Erfahrung. Schon einmal, 1993, baten die UN die Nato, die Bombardierung von Zivilisten zu verhüten. Damals ging es um den Schutz Bosnien-Herzegowinas. Fast 1000 Tage lang verhindern damals auch Tornados der Bundeswehr, dass serbische Bomber humanitäre Schutzzonen angriffen.

Abdel-Hafidh Ghoga, ein Sprecher der provisorischen Rats der Oppositionellen in Libyen, bittet heute in der New York Times die Weltgemeinschaft, ihren Militärs ein entsprechendes Mandat zu erteilen. „Wenn sie (die Flugverbotszone, d. Red.) sich auf die Vereinten Nationen stützt, dann ist es keine fremde Invasion.”
Westliche Diplomaten halten dem entgegen, dass China und Russland signalisiert hätten, sie würden einer Flugverbotszone nicht zustimmen. Deswegen wäre es unklug vom Westen, jetzt einen Vorstoß zu unternehmen. Das erste stimmt, das zweite nicht. Es wäre durchaus einen Versuch im Sicherheitsrat wert, um zu sehen, ob sich Moskau und Peking im Angesicht eines drohenden Massakers in Libyen und im Kameralicht der Welt wirklich sträuben würden, ein Mandat nach Kapitel 7 der UN-Charta zu erteilen.

Die Bedenken, die das Auswärtige Amt in Berlin gegen eine Flugverbotszone anführt, klingen vollständig nach Ausrede. Die Nachbarstaaten Tunesien und Sudan seien gegen die Idee, heißt es. Ach ja, sind sie das? Muss man das Auswärtige Amt wirklich daran erinnern, dass es in der Abwägung um etwas höhere Rechtsgüter geht als um die nationalen Empfindlichkeiten von Libyens Nachbarländern? Es geht um Menschenleben.

Der wahre Grund für die Zurückhaltung dürfte sein, dass bei einer deutschen Beteiligung (es reicht schon die der Awacs-Besatzungen) der Bundestag Grünes Licht erteilen müsste. Das wäre für die Bundesregierung schon dann eine Herausforderung, wenn sie derzeit einen Verteidigungsminister hätte.

Was Europa ganz ohne große Anstrengungen tun könnte, wäre im Übrigen, sämtlichen libyschen Piloten, die ihre Maschinen nach Norden lenken, ausdrücklich politisches Asyl anzubieten.