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Warum China den US-Wahlkampf dominiert

 

Sie würden ja gern. Aber irgendwie klappt es nicht so recht. Sowohl Präsident Barack Obama als auch sein Herausforderer Mitt Romney haben in diesem US-Präsidentschaftswahlkampf mehrmals versucht, China an den Pranger zu stellen. Bei der dritten und letzten Debatte vor den US-Wahlen kündigte Romney am Montagabend lautstark an, als Präsident werde er eine härtere Haltung im Handelskonflikt mit China einnehmen und die Volksrepublik ganz offiziell als „Währungsmanipulator“ brandmarken. Immerhin würden die USA Jobs verlieren, weil Peking „nicht nach den gleichen Regeln spielt“. Obama wollte ihm nacheifern. Ja, sagte er. China sei in der internationalen Gemeinschaft ein „Gegenspieler“. Zugleich aber relativierte er: China sei „ein Partner, sofern es sich an die Regeln hält“.

So angesagt China-Bashing in den Vereinigten Staaten derzeit ist – irgendwie klappt es mit der Volksrepublik als Feindbild nicht. Und das hat konkrete Gründe.

Seit über einem Jahrzehnt ist die USA mit ihrem Krieg gegen den Terrorismus im Nahen Osten und Afghanistan beschäftigt. Nahezu unbemerkt ist China in der gleichen Zeit zum zweitgrößten Handelspartner der Vereinigten Staaten aufgestiegen. Die größte und die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt treiben inzwischen Handel in einem Umfang von fast einer halben Billion Dollar, ein Antrieb für die gesamte Weltwirtschaft. Ganze Wirtschaftszweige in den USA sind heute von China abhängig.

Vor allem eine nicht unwesentliche Branche in den USA profitiert massiv vom Geschäft mit der Volksrepublik: die Landwirtschaft. China kann bereits seit einigen Jahren seine gigantische Bevölkerung nicht mehr aus eigener Kraft versorgen. Vor allem Weizen, Mais und Soja führen die Chinesen ein, die sich diese Importe wiederum erst leisten können, seitdem der Wohlstand gestiegen ist. Die USA ist inzwischen Chinas größter Agrarimporteur.

Zwar hat Romney, der „hart gegen China“ vorgehen will, recht, dass viele Jobs in den USA wegen des Aufstiegs Chinas verloren gegangen sind. Nach Angaben des Economic Policy Institute haben die USA auf diese und ähnliche Weise seit 2001 rund 2,8 Millionen Arbeitsplätze an China verloren. Romneys früherer Arbeitgeber Bain Capital hat im übrigen selbst dazu beigetragen, indem das Unternehmen amerikanische Firmen abgewickelt und nach China ausgelagert hat, um dort niedrigere Löhne zahlen zu können.

Das alles ist aber nichts im Vergleich zu der Zahl von Jobs, die verloren gingen, wenn Romney es tatsächlich Ernst meint mit einem Handelskrieg gegen China.

Obama wiederum prahlte in der zweiten TV-Debatte damit, er persönlich habe dafür gesorgt, dass China die amerikanische Autozuliefererbranche nicht weiter mit billigen Reifen überflute. Seine Regierung habe 2009 Strafzölle gegen das chinesische Unternehmen Pneus eingeführt. Die Kollegen vom österreichischen Nachrichtenmagazin Profil schreiben zu Recht allerdings von einem „zweifelhaftem Erfolg“ und zitieren eine Rechnung des Wirtschaftsforschungsinstituts Peterson Institute for International Economics. Zwar hätten die Zölle 1.200 amerikanische Arbeitsplätze gerettet. Allerdings hätten amerikanische Konsumenten insgesamt auch rund 1,1 Milliarden Dollar mehr für ihre Reifen zahlen müssen.

China wiederum wehrte sich und erhob ein Strafzoll auf Geflügelteile aus den USA. Das bescherte amerikanischen Farmern einen Exportausfall von rund einer Milliarde Dollar. Was Obama in der TV-Debatte ebenfalls nicht erwähnte: Den Strafzoll auf die Reifen hat die USA im September stillschweigend wieder auslaufen lassen.

Jeder, der sich ein wenig mit den amerikanisch-chinesischen Beziehungen beschäftigt und auch die Chinesen selbst, gehen davon aus, dass sowohl Obama als auch Romney nach dem Wahlkampf verbal gegenüber China wieder abrüsten werden.