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Chinas schnelle Züge

 

Wenn es um moderne Großtechnologien geht, hat das kommunistisch regierte China den USA schon lange den Rang abgelaufen. Mit einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 300 Stundenkilometern fuhr der chinesische Schnellzug CRH380 am zweiten Weihnachtstag erstmals die 2.298 Kilometer lange Strecke zwischen der Hauptstadt Peking im Norden des Landes und der Technologiemetropole Guangzhou in Südchina ab. Die Jungfernfahrt dauerte acht Stunden. Vor der Eröffnung der neuen Strecke betrug die Reisezeit mehr als 20 Stunden.

Seitdem China die neue Technologie vor fünf Jahren eingeführt hat, ist das chinesische Hochgeschwindigkeitsnetz auf mehr als 9.300 Kilometer gewachsen. Damit verfügt China bereits über das längste Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt. Der Rekord ist ein vorläufiger. In großen Sprüngen soll der Ausbau weiter gehen: Die Strecke zwischen der westlichen Stadt Chengdu bis hinauf nach Schanghai steht unmittelbar vor der Eröffnung, ebenfalls die Verbindung zwischen Shanghai und Kunming im Südwesten. Auch Strecken im Inland wie die von Zhengzhou nach Xi’an in Zentralchina stehen kurz vor ihrer Vollendung. Bereits bis Ende 2014 will das chinesische Eisenbahnministerium das Netz auf 19.000 Kilometer ausweiten, bis 2020 gar auf die gigantische Zahl von 50.000 Streckenkilometern.

Werden diese Pläne tatsächlich so umgesetzt wie vom Eisenbahnministerium verkündet, liegt der Finanzierungsbedarf Analysten zufolge bei 80 Milliarden Yuan im Jahr (rund 12,8 Milliarden US-Dollar). Bis 2020 will der Staat 300 Milliarden Dollar für das Hochgeschwindigkeitsnetz ausgegeben haben. Die hohen Investitionssummen dürften mit ein Grund dafür sein, dass das Eisenbahnministerium und die ihr unterstellten Staatsunternehmen in den vergangenen Jahren besonders anfällig für Korruptionsskandale waren.

Noch sind die Hochgeschwindigkeitszüge ein Verlustgeschäft. Tickets für die neue Strecke Peking-Guangzhou kosten umgerechnet zwischen 100 und 350 Euro. Bei einem Durchschnittsverdienst von rund 500 Euro im Monat ist dieser Preis für einen Großteil der chinesischen Bevölkerung kaum erschwinglich. Entsprechend gering wird vorerst die Zahl der Passagiere sein. Geht das Wachstum in China jedoch weiter, könnte sich das bald ändern.

Der chinesische Hochgeschwindigkeitszug könnte sich außerdem schon bald auch zu einem Exportschlager entwickeln. Saudi Arabien hat die chinesische Technik bereits bestellt. Auch Russland, Brasilien und selbst die USA haben Interesse bekundet. Und während die Europäer nicht einmal über den Ausbau eines einheitlichen Hochgeschwindigkeitsnetzes diskutieren, sind die Chinesen bereits eifrig dabei, nicht nur Südostasien mit ihrem Streckennetz zu verbinden, sondern auch die zentralasiatischen Länder hinauf bis in die Türkei. Die Arbeiten in Laos, Thailand und Myanmar haben bereits begonnen.

Wurden die ersten Triebzüge und Lokomotiven noch von Siemens, Bombardier oder Kawasaki geliefert, sind die neuen Züge inzwischen eine chinesische Eigenproduktion. Klagen wegen Technikklau und Diebstahl geistigen Eigentums werden kaum noch erhoben. Viele Einzelteile kommen durchaus noch von Siemens, Bosch und Bögl. Wie ein Vertreter einer dieser deutschen Firmen vor Kurzem sagte: „Wir feiern in China alle eine große Party.“