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Chinas schmutzige Zukunft

 

Am vierten Tag des großen Smogs hat die Stadtverwaltung in Peking reagiert. Für das gesamte Stadtgebiet gilt nun Alarmstufe Orange. Seit dem frühen Montagmorgen müssen 54 Fabriken im Stadtgebiet ihren Schadstoffausstoß verringern. 28 Großbaustellen haben die Arbeit eingestellt. Regierungsangestellte sind aufgefordert, ihre Autos stehen zu lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.

Tatsächlich ist der Schwefelgeruch am Montag nicht mehr ganz so durchdringend wie am Wochenende. Offiziellen Angaben zufolge lagen die Feinstaubwerte am Samstag zeitweise bei mehr als 700 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die US-Botschaft, die eigene Untersuchungen vornimmt und diese im Internet veröffentlicht, hatte zwischendurch sogar 884 Mikrogramm gemessen – was bei vielen nach nur kurzer Zeit unter freiem Himmel bereits Kopfschmerzen auslöste. Ein chinesisches Medium berichtet, dass sich die Zahl der Herzinfarkte seit dem vergangenen Freitag verdoppelt habe. Bestätigt wurde das von offizieller Seite nicht. Schon 20 Mikrogramm beeinträchtigen laut der Weltgesundheitsorganisation die Gesundheit. Werte über 300 gelten als gefährlich. Bei über 500 hören in China die öffentlich abrufbaren Messstellen auf zu zählen. Am späten Montagnachmittag schwirrten pro Kubikmeter noch 317 Mikrogramm Feinstaub durch die Luft.

Ein umfassendes Fahrverbot will die Regierung weiterhin nicht verhängen, weil sie meint, es bringe nur wenig. Womit sie recht hat.

Sicherlich würden weniger Autos auf den Straßen die Luftverschmutzung lindern. Die Ursache für Pekings Extremsmog der vergangenen Tage ist aber nicht der Autoverkehr, sondern die Industrie südwestlich von Peking in den Provinzen Hebei, Shanxi und Henan. In diesen ohnehin steppigen und sandigen Provinzen hat sich in den vergangenen Jahren Chinas Schwerindustrie angesiedelt. Stahl-, Chemie- und Maschinenwerke, vor allem aber Chinas gigantische Kohleindustrie sorgen dafür, dass fast das ganze Jahr über Feinstaubwerte von mehr als 300 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen werden. Ich bin im Oktober durch die Stadt Taiyuan gefahren, der Provinzhauptstadt von Shanxi. Trotz sonnigem Tag lag die Sichtweite bei weniger als 100 Metern. Die gesamte Stadt ist mit Staub bedeckt. Der Taxifahrer erzählte, den letzten klaren Sommertag habe er in seiner Kindheit erlebt. Der Fahrer war vielleicht 30 Jahre alt.

Lange Zeit war Peking für seine schlechte Luft selbst verantwortlich. Im Stadtgebiet gab es früher viel Schwerindustrie, die Menschen heizten und kochten mit Kohle. Das ist vorbei. Bereits zu den Olympischen Spielen 2008 hat die Stadtverwaltung die übelsten Dreckschleudern aus der Stadt verbannt. In den meisten Häusern wird nun elektrisch oder mit Gas geheizt. Umso mehr Kohlestaub werden nun in Shanxi, Hebei und Henan in die Luft geschleudert. Hinzukommt, dass Chinas Nordosten derzeit einen Rekordwinter mit Temperaturen von bis zu Minus 30 Grad erlebt. Weil die Kohlekraftwerke auf Hochtouren laufen, steigt der Ausstoß von Schadstoffen weiter. Die Führung in Peking hat zwar begonnen, die Abhängigkeit von der Kohle zu verringern, aber mittelfristig wird sie weiterhin auf den Rohstoff setzen müssen.

Das Luftproblem hat sich nun verschärft, weil es vergangene Woche zu einem Wetterwechsel kam. Eine warme Luftschicht aus dem Südwesten schleppte die Abgase aus den Kohleprovinzen ins Stadtgebiet und traf auf eine bodennahe kalte Luftschicht, was wiederum den dichten Nebel verursachte. Zugleich liegt Peking geographisch ungünstig. Nördlich und westlich des Stadtgebiets erheben sich hohe Berge. Herrscht Nordwind – wie im Winter normalerweise üblich – ist Pekings Luft zwar eisig, aber auch klar. Kommen die Luftmassen vom Süden, bleibt der Schmutz in der Luft wie eine Glocke über der Stadt hängen.

Peking war am Wochenende übrigens nicht Chinas dreckigste Stadt. Auf unterschiedlichen Ranglisten der problematischsten Städte rangierte es nur auf Platz 12 oder 13. In Shijiazhuang südwestlich der Hauptstadt lag der Feinstaubwert zeitweise bei mehr als 1.000 Mikrogramm.