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China schnippelt sich James Bond zurecht

 

Chinas Zensoren haben mal wieder zugeschlagen. Dieses Mal so plump, dass sich nicht nur Mikroblogger beschweren. Dieses Mal kritisiert Shi Chuan, Professor der Film- und Fernsehschule der Shanghai-Universität, die staatliche Zensur. „Die Filmkontrolle sollte die ursprünglichen Ideen der Produzenten respektieren – anstatt willkürlich Szenen zu kürzen“, wird er zitiert – und zwar ganz offiziell von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Seine Kritik ist also landesweit in allen Zeitungen erschienen.

Ihm geht es um den neuen James-Bond-Streifen Skyfall sowie um Cloud Atlas von Tom Tykwer und den Wachowski-Geschwistern. In Skyfall wurde eine Szene herausgeschnitten, die in Shanghai spielt und in der ein Killer kaltblütig einen chinesischen Wachmann erschießt. Zudem wird die Frage des Agenten an das Bond-Girl Severine, ob sie „zur Prostitution gezwungen“ worden sei, anders übersetzt. In den chinesischen Untertiteln fragt Bond, ob sie „zur Aufnahme in die Bande“ gezwungen wurde.

Cloud Atlas, der am 31. Januar offiziell in die chinesischen Kinos kommen soll, haben die Zensoren sogar so sehr verstümmelt, dass der Streifen knapp 40 Minuten kürzer ist als das fast dreistündige Original. Vor allem Nacktszenen und Küsse zwischen den männlichen Akteuren fielen weg, aber auch ganze Dialoge sind gestrichen.

Das kommunistische Parteiorgan Renmin Ribao (Volkszeitung) verteidigt diese „erfolgreiche“ Bearbeitung von Cloud Atlas und bestreitet politische Intentionen. Mit einer Länge von 172 Minuten sei der Film in der Originalfassung viel zu lang geraten. Die Zensoren hätten deswegen vor allem die langatmigen Szenen herausgeschnitten. Das Parteiblatt findet den Film nun „sehr viel verständlicher“.

Zusammenhänge fehlten, die Handlung sei kaum noch verständlich, beklagt sich hingegen ein Rezensent in einem chinesischen Online-Medium, der sich den Film vorab angesehen hat. Der Vergleich fällt Zuschauern in China auch deswegen so leicht, weil so gut wie alle neuen Hollywood-Streifen auf professionell produzierten Raub-DVDs im ganzen Land erhältlich sind – häufig bevor sie überhaupt im Mutterland USA in die Kinos kommen. Auch online sind viele amerikanische Filme abrufbar – unzensiert und ganz legal.

Was in China hingegen auf der Kinoleinwand erscheint, durchläuft so gut wie immer die Zensur. Nach welchen Kriterien dies erfolgt, ist aber nicht ersichtlich. Vielmehr wird der Eindruck erweckt: Was herausgeschnitten wird, liegt häufig im Ermessen des jeweiligen Zensors.

Was etwa soll an der Schießszene im James-Bond-Film politisch fragwürdig sein? Mit dem Jugendschutz zumindest dürfte es nicht zusammenhängen, denn blutige Schießszenen flimmern im chinesischen Staatsfernsehen selbst tagsüber ständig über den Bildschirm. Auch der Begriff Prostitution ist in der Volksrepublik schon lange kein Tabu mehr. Im Gegenteil: Prostitution ist inzwischen so selbstverständlich, dass selbst Gäste in seriösen Hotels wie der Holiday-Inn-Kette spätabends mit Anrufen belästigt werden, ob sie Service wünschen. Und politisch brisant? Im Dezember zeigte der chinesische Staatssender CCTV zur Primetime den Film V für Vendetta – einen Film, der sich gegen die Unterdrückung diktatorischer Regime wendet.

34 ausländische Filme dürfen pro Jahr in chinesischen Kinos laufen. Chinas frisch gekürtes Staatsoberhaupt Xi Jinping hat diese Zahl vor Kurzem um 14 erhöht, angeblich weil er selbst Fan von Hollywood-Filmen ist. Dass diese Zahl überhaupt begrenzt wird, hat mehr ökonomische Gründe als politische: Chinas Führung will die eigene Filmproduktion fördern. Skyfall läuft nur deswegen zwei Monate später als zunächst angekündigt an, weil im Dezember zwei chinesische Filme promotet werden sollten. Man erhält also den Eindruck: Die Zensur dient in China auch der Marktabschottung.