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Chinas Angst ums Trinkwasser

 

Rätselraten um das Schweinesterben am Huangpu: Seit Tagen werden am Stadtfluss der Hafenmetropole Shanghai tote Schweine und Sauen angeschwemmt. Bis Dienstagabend waren es nach Angaben der Stadtverwaltung 5.916.

Woher die Tiere stammen, ist bislang unklar. Die Behörden teilen mit, die toten Schweine seien wohl in der Stadt Jiaxing flussaufwärts in der Provinz Zhejiang ins Wasser geworfen worden. Gleichzeitig ist jedoch nicht von einer Schweineepidemie in Jiaxing die Rede, auch nicht von vergiftetem Wasser. Das Landwirtschaftskomitee von Jiaxing bestätigte lediglich, dass sie in einem Kadaver ein für Schweine gefährliches Virus festgestellt habe. Menschen seien hingegen nicht in Gefahr. Auch die Stadtoberen von Shanghai versichern, das Trinkwasser sei nicht gefährdet.

Das Problem ist nur: Kaum einer in China glaubt ihnen. Selbst wenn die offiziellen Stellen Recht behalten – wie schon beim Milchpulver – fehlt es auch im Fall der toten Schweine in der Bevölkerung an Vertrauen. Die staatlich kontrollierten Medien halten sich mit Kritik und Anschuldigungen in gewohnter Manier zurück. Nur in den sozialen Netzwerken äußern die Menschen ihren Unmut.

„Das stinkt doch zum Himmel“, schreibt ein Blogger auf Sina-Weibo, dem chinesischen Twitter-Pendant. Ein anderer vermutet eine Seuche ähnlich wie Sars vor zehn Jahren. Auch damals hätten die zuständigen Behörden zunächst versucht, die Seuche zu verheimlichen. Der bekannte Kolumnist Zhao Chu hegt ebenfalls seine Zweifel. „Wenn jemand behauptet, 10.000 Schweine seien erfroren, lügt er“, schreibt er auf Weibo. Das zuständige Agrarministerium von Zhejiang hatte zwischendurch behauptet, die Tiere seien erfroren. Die Gegend um Shanghai misst derzeit 15 Grad.

Überhaupt hatte erst ein Blogger auf das Problem aufmerksam gemacht. Huang Beibei hatte Fotos von den Schweinekadavern im Wasser gemacht und sie ins Netz gestellt. Ihm sei es um die Sicherheit des Trinkwassers gegangen, wird er von der US-Nachrichtenagentur AP zitiert. „Obwohl die Regierung sagt, das Wasser sei sicher, glaube zumindest ich das nicht.“

Das Misstrauen ist angebracht. Denn den angeschwemmten Schweinen vorangegangen war eine Kampagne gegen den illegalen Fleischhandel. Verenden Schweine an Krankheiten oder gar Seuchen, müssen sie nach chinesischem Gesetz verbrannt oder vergraben werden. Doch zuletzt waren Fälle bekannt geworden, bei denen skrupellose Schweinezüchter und korrupte Beamte Kadaver von erkrankten Tieren an Schlachthöfe verkauft haben. Das verseuchte Fleisch landete daraufhin im Handel. Gut möglich also, dass einer der Züchter seine Herde deshalb in den Fluss geworfen hat, weil sie durch die verstärkten Kontrollen für ihn nicht mehr nutzbar war.

Die vielen Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre und das mangelnde Vertrauen der Bevölkerung in den Staat hat in diesen Tagen dazu geführt, dass Chinas neues Staatsoberhaupt Xi Jinping die bislang zuständigen Behörden umstrukturiert hat. Die Nahrungsmittelaufsicht hat Xi zu einem Ministerium aufgewertet. Auch das chinesische Ministerium für öffentliche Sicherheit soll künftig verstärkt gegen illegale Händler und korrupte Beamte und Parteifunktionäre vorgehen.

Zumindest einige Blogger nehmen die Schweinekadaver im Huangpu mit Humor. Die Schweine hätten sich geweigert, mit Antibiotika und Hormonen überfüttert zu werden, wie sonst in der chinesischen Fleischindustrie üblich, schreibt einer. Sie wollen offenbar auch nicht die verschmutzte Luft einatmen, schreibt ein anderer in Anspielung auf Chinas Smogproblem. In einem anderen Blog heißt es, die Schweine seien verhungert, weil der Milchpulvernachschub aus Hongkong ausgeblieben ist.