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Die globale Machtverschiebung ist in vollem Gang

 

Chinas neues Staatsoberhaupt Xi Jinping führt es auf seiner ersten Auslandsreise nicht in die Vereinigten Staaten, nicht nach Europa oder Japan. Seine erste Station war am Wochenende Russland. An diesem Dienstag flog er weiter nach Südafrika. 

Das sind Zeichen einer neuen Weltordnung. Gemeinsam mit Russlands Präsident Wladimir Putin nimmt Xi im südafrikanischen Durban am Brics-Gipfel teil, dem fünften Treffen der aufstrebenden Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

Putin und Xi zeigen mit ihrer persönlichen Teilnahme, welchen Stellenwert sie der neuen Achse geben. Der Kremlchef hatte das neue chinesische Staatsoberhaupt bereits am vergangenen Freitag mit den Worten begrüßt, die Beziehungen zwischen Russland und China würden künftig „tonangebend für die Weltpolitik“ sein. Russland hatte wenige Tage vorher ein Strategiepapier verfasst, in dem von einer „Verschiebung der globalen Machtzentren“ die Rede war. Die Brics würden „den Kern einer solchen neuen Weltordnung“ bilden. Putins Ziel: Gemeinsam mit den anderen aufstrebenden Schwellenländern den bislang noch dominierenden Einfluss der alten Industriestaaten zurückzudrängen.

Das Potenzial ist da. Noch im Jahr 2007 betrug der Anteil der Brics-Staaten, die immerhin 44 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen, am weltweiten BIP gerade einmal 13 Prozent. Fünf Jahre später ist die Quote auf 20 Prozent angewachsen. Die Schwellenländer halten rund die Hälfte der weltweiten Devisenreserven. Allein die Wirtschaftsleistung der beiden bevölkerungsreichsten Länder Indien und China werden jüngsten Berechnungen der Industrieländerorganisation OECD zufolge bis 2025 die alten G7-Länder Frankreich, Deutschland, Japan, Italien, Großbritannien, die USA und Kanada zusammen genommen überholt haben. „Wir werden ökonomisch in den nächsten Jahren eine gigantische Verschiebung erleben“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría am vergangenen Freitag in Peking.

Sicherlich hängt der beschleunigte Aufstieg der Brics-Länder auch mit der anhaltenden Schwäche der alten Industriestaaten zusammen. Sowohl Japan als auch die USA quälen sich mit den Folgen ihrer Finanzkrisen. In Europa flammt die Schuldenkrise gerade wieder auf. Die USA werden in den nächsten Jahren vielleicht maximal zwei Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr aufweisen. Die Euro-Zone wahrscheinlich so gut wie gar keins. Die Brics-Länder hingegen wachsen längst wieder. Allein Chinas Wohlstand wird kontinuierlich zwischen sieben und acht Prozent steigen und das sind pessimistische Werte.

Politisch, sozial und ökonomisch unterscheiden sich die fünf Schwellenländer erheblich. So liegt etwa das Pro-Kopf-Einkommen der Inder im Durchschnitt derzeit gerade einmal bei rund 1.500 Dollar im Jahr, das der Russen und Brasilianer bei rund 13.000 Dollar. China und Südafrika liegen mit 5.500 und 8.000 Dollar im Mittelfeld.

Dennoch gibt es in einigen Punkten Einigkeit. Auf dem Treffen in Durban sollen diese feierlich abgesegnet werden. Ein ständiges Brics-Sekretariat und eine Brics-Bank sollen entstehen, um – in Konkurrenz zur Weltbank – Investitionen in die Infrastruktur von Entwicklungsländern zu finanzieren. Hinzukommt ein gemeinsamer Wirtschaftsrat sowie ein eigener Krisenfonds – beides wiederum in Konkurrenz zum bereits existierenden Internationalen Währungsfonds (IWF).

Die Schwellenländer kritisieren seit einiger Zeit, dass Weltbank und IWF zu einseitig die Interessen der USA und der alten Industriestaaten vertreten. Nun fühlen sich die Brics-Staaten stark genug, ihnen eigene Institutionen entgegenzusetzen. Die globale Machtverschiebung ist in vollem Gang.