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Chinas Urbanisierung wird zum Alptraum

 

Diesmal ist es die Furcht vor einer Steuer, die die Bürger zum Immobilienkauf treibt. 20 Prozent Kapitalgewinnsteuer wird ab Anfang April auf sämtliche Wohnungsverkäufe in China fällig. Eigentlich ein Mittel gegen die Überhitzung: Chinas Führung will den Handel mit Immobilien unattraktiver machen. Doch Chinas Bürger fürchten, dass die Steuer bald auf die Preise geschlagen wird – und kaufen noch einmal panikartig ein.

Zwar wird die Steuer derzeit nur in Peking eingetrieben. Dennoch treiben die Panikkäufe die Immobilienpreise seit Anfang des Jahres weiter in die Höhe. Am stärksten stiegen die Preise in Peking und Guangzhou – plus drei Prozent in drei Monaten. In Schanghai und Shenzhen sind die Häuser und Wohnungen immerhin um 2,2 und 2,3 Prozent teurer geworden. Und im ganzen Land stiegen die Immobilienpreise im vergangenen Jahr um neun Prozent, in Hongkong sogar um 25 Prozent.

Dabei sind die Preise in Städten wie Peking und Shanghai schon heute unverhältnismäßig hoch. Umgerechnet zwischen 3.000 und 4.000 Euro kostet ein Quadratmeter in Chinas Hauptstadt. Der Durchschnittsverdienst in Peking liegt bei weniger als 800 Euro. Auch die Mieten sind drastisch gestiegen.

Das Absurde: Viele Wohnungen stehen leer. Sie gehören Investoren, die sie selbst gar nicht bewohnen. Und weil die Nebenkosten in China gering sind, hegen sie auch nur wenig Ambitionen, sie zu vermieten. Solange die Nachfrage anhält und der Preis steigt, fühlen sie sich reich – auch wenn sie konkret gar nicht daran verdienen. Viele Immobilien in China dienen den Eigentümern allein zur Spekulation.

Das hat Chinas Führung offensichtlich nicht gewollt. Unter dem Schlagwort der Urbanisierung will sie in den kommenden 20 Jahren jährlich zwischen 10 und 20 Millionen Menschen vom Land in die Städte holen. Derzeit lebt gerade einmal etwas mehr als die Hälfte der chinesischen Bevölkerung in einer Stadt – viel zu wenig für eine entwickelte Volkswirtschaft, finden chinesische Ökonomen. In Zukunft sollen es 85 Prozent sein. Das sei nötig, damit die Menschen auf dem Land über einen ähnlich hohen Lebensstandard verfügen wie die Menschen in den Städten. Das Unterfangen ist gigantisch. Im ganzen Land werden Hunderttausende neue Wohnhäuser hochgezogen.

Chinas große Urbanisierung hatte bereits die Vorgängerregierung in die Wege geleitet. Doch Chinas neues Staatsoberhaupt Xi Jinping hat kurz nach seiner Amtseinführung bekräftigt, an den ehrgeizigen Urbanisierungsplänen festzuhalten und den „chinesischen Traum“ beschworen. Im Mittelpunkt sollen Wohlstand, Patriotismus und Innovation stehen.

Doch angesichts der rasant gestiegenen Immobilienpreise sehen viele Chinesen diesen Traum in weite Ferne gerückt. Der Unmut reicht weit in die chinesische Mittelschicht. Wer nicht vor zwei, drei Jahren eine Wohnung gekauft hat, muss jetzt fürchten, keine bezahlbare Wohnung mehr zu finden.

Das Projekt Urbanisierung, es entpuppt sich für viele Chinesinnen und Chinesen als Alptraum.