Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Merkels gefährlicher Alleingang

 

Angela Merkel und Chinas Premier Li Keqiang bei einem Treffen am vergangenen Sonntag © Odd Andersen/AFP/Getty Images
Angela Merkel und Chinas Premier Li Keqiang bei einem Treffen am vergangenen Sonntag © Odd Andersen/AFP/Getty Images

Es ist keine Überraschung, dass Li Keqiang auf seiner ersten Auslandsreise als chinesischer Regierungschef in der EU nur Deutschland die Ehre erteilt. Berlin ist Chinas wichtigster Handelspartner in der Europäischen Union – und soll noch wichtiger werden. Beide Länder wollen an diesem Montag Handelsverträge in Höhe von fünf Milliarden Euro unterzeichnen. Auch politisch hält Li einiges von der Bundesregierung, vor allem von der deutschen Kanzlerin. Kurzum: Das Verhältnis zwischen Berlin und Peking ist ungetrübt, selbst wenn sich Europa und China gerade im Streit um Strafzölle auf Solarprodukte befinden.

Das liegt auch daran, dass der Handelsstreit zwar nicht zuletzt von Solarworld ausgelöst wurde, einem deutschen Unternehmen. Die Firma brachte die EU-Kommission erst dazu, den Streit mit China zu suchen. Die Bundesregierung und die Mehrheit der deutschen Industrie jedoch sprechen sich seit Tagen gegen die Strafzölle aus. „Protektionismus ist keine Antwort auf die Globalisierung“, sagt Merkel auch an diesem Montag. Damit hat sich Berlin endgültig zu Chinas Fürsprecher gemacht.

Merkel ist der Dank der Chinesen gewiss. Li zieht Merkel schon länger ins Vertrauen. Er bespricht mit ihr nicht nur die Handelskonflikte, sondern auch den Syrien-Konflikt und selbst den Inselstreit mit Japan. Auf dem internationalen Parkett wertet China die Bundesregierung damit auf. Auch im Solarstreit setzt Li eher auf die politische Schlagkraft der Kanzlerin, anstatt direkt mit der EU-Kommission zu verhandeln. Nach Brüssel schickte er am Montag lediglich seinen stellvertretenden Handelsminister.

Es stimmt, dass die Strafzölle der EU falsch sind. Es wäre besser, Europa würde von der gefährlichen Strategie lassen und den Handel nicht beschränken. Doch die Kanzlerin sollte sich auch nicht von Chinas Regierungschef vereinnahmen lassen. Die Abstimmungsprozesse in Brüssel mögen langatmig sein, die einzelnen EU-Länder ihre eigene Agenda verfolgen. Dennoch sollte Deutschland in der Auseinandersetzung mit der EU an einem Strang ziehen – nicht zuletzt aus strategischen Gründen. Zu groß ist die Gefahr, dass China künftig immer so verfahren könnte: Je nach Interessenlage könnte das Land einen Mitgliedsstaat der EU gegen den anderen ausspielen. Am Ende hätte alle Länder das Nachsehen.

China ist für Deutschland ein wichtiges Exportland. Doch die wichtigsten Verbündeten und auch größten Handelspartner Deutschlands sind immer noch die europäischen Nachbarn. Die sollte Merkel nicht allzu leichtfertig vergraulen.