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Chinas legt radikalen Umweltplan vor

 

Skyline von Hongkong, im Smog © Philippe Lopez/AFP/Getty Images
Skyline von Hongkong, im Smog © Philippe Lopez/AFP/Getty Images

Chinas Führung reagiert endlich auf die schweren Smogprobleme des Landes. Es will bis zum Jahr 2017 den Schadstoffausstoß in der Schwerindustrie um mindestens ein Drittel senken. Das hat die Regierung in einem Zehn-Punkte-Programm Ende vergangener Woche angekündigt. Vor allem die Eisen-, Stahl-, Erdöl- und Zementindustrie müssen mit sehr viel strengeren Vorgaben rechnen. Wenn Unternehmen sich um Lizenzen bewerben, etwa für die Rohstoffförderung, sollen die neuen Umweltauflagen sogar ab sofort gelten.

Der radikale Eingriff ins Wirtschaftsleben ist ein weiterer Schritt der Regierung, die schwere Smogproblematik des Landes in den Griff zu bekommen. Er passt in die aktuelle Stimmung in der Politik.

Vergangene Woche hatte Chinas neuer Vizeministerpräsident Zhang Gaoli auf einer großen internationalen Wirtschaftskonferenz in der südwestchinesischen Stadt Chengdu sogar das Ende des bisherigen Wachstumsmodells angekündigt. „Das extensive Entwicklungsmodell ist weder aufrechtzuerhalten noch machbar“, sagte Zhang. Die chinesische Führung sei fest entschlossen, die Umweltprobleme anzupacken und kündigte „energische Aktionspläne“ an. So will das Land den schweren Smog, die hohen Feinstaubkonzentrationen in der Luft und die Wasserverschmutzung reduzieren.

Zurzeit gibt China umgerechnet rund 91 Milliarden Euro im Jahr für den Umweltschutz aus. Das entspricht rund 1,3 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts. In absoluten Zahlen ist das bereits heute weltweit der höchste Wert. Er soll sich in den nächsten Jahren vervierfachen.

Doch auch wenn es sich um Milliardenbeträge handelt: Die Weltbank hat bereits errechnet, dass die Kosten durch die Umweltverschmutzung inzwischen fast sechs Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Chinas verschlingt. Selbst das massive Aufstocken der Ausgaben dürfte also auch künftig nicht ausreichen.

Das Problem ist: Die Umweltverschmutzung konzentriert sich längst nicht mehr auf die großen Städte mit ihren vielen Industriebetrieben und dem dichten Autoverkehr. Auch in ländlichen Regionen wird sie zu einem immer größeren Problem. Chinas Landwirtschaftsbetriebe würden mittlerweile stärker zur Verschmutzung der Umwelt beitragen als die Metropolen, schreibt das Umweltministerium in einem aktuellen Bericht. Vor allem der Bergbau und die steigenden Vieh- und Geflügelbestände hätten die Situation in den vergangenen Jahren dramatisch verschlimmert.

70 Prozent aller Gewässer sind in China mit Chemikalien und Fäkalien verseucht, die Böden sind überdüngt und verseucht. Rund 750.000 Menschen, schätzen Umweltverbände, sterben jährlich an den Folgen der Umweltverschmutzung. Zahlen, die Peking immer stärker unter Druck setzen.

Ich habe vor Kurzem mit Achim Steiner, dem Generalsekretär des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP, über Chinas Lage gesprochen. Er plädiert für Verständnis: Chinas mache zurzeit eine Entwicklung durch, die jedes Industrieland einmal durchgemacht habe. Jahrzehntelang werde einseitig auf Industrie und die Schaffung von Arbeitsplätzen gesetzt. Im Zeitraffer hole China Dinge nach, wofür andere Länder 20, 30 oder 50 Jahre gebraucht hätten. Und das bringt die Umwelt an den Rand des Kollapses.

Steiner ist überzeugt, dass es chinesischen Politikern nicht am Willen und am Bewusstsein für die Umweltfragen fehle. Nur: Die Kosten einer Energieumstellung in einem Land mit 1,4 Milliarden Menschen seien phänomenal. Allerdings ist Steiner optimistisch, dass China die Transformation weg von einer ressourcenverschwenderischen Politik zu mehr Energieeffizienz hinbekomme. „Die Chinesen könnten das in zehn Jahren schaffen“, sagt er. Als Beispiel nennt er die Einführung von neuen Emissionsstandards für Autos: China habe sie in einem Zeitraum eingeführt, wofür Europa 25 Jahre gebraucht hat. „Es geschieht sehr viel in China.“