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Säbelgerassel zum Schaden der Wirtschaft

 

Erst vor wenigen Tagen freute sich die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei über eine Entspannung in der schwierigen Beziehung zwischen Japan und China. Sie titelte: „Japanische Geschäfte und Einkaufszentren begrüßen die Rückkehr chinesischer Kunden.“  Doch die Freude erhielt schon einen Tag danach einen empfindlichen Dämpfer. Seit China eine nationale Luftverteidigungszone festgelegt hat, die sich mit der japanischen Zone überschneidet, ist der Streit zwischen beiden Ländern wieder voll entflammt.

Halb so schlimm, könnte man sagen: Bisher haben sich die Gemüter noch nach jeder Auseinandersetzung im Inselstreit wieder schnell beruhigt. Aber das stimmt nur in der Politik. Wirtschaftlich ist der Schaden immens.

Das hat sich bereits im vergangenen Jahr gezeigt. Im September 2012 hatte sich der Streit zwischen Japan und China um unbewohnte Inseln im ostchinesischen Meer schon einmal zugespitzt. Chinas Führung schürte anti-japanische Proteste, obwohl Demonstrationen in der Volksrepublik normalerweise nicht gestattet sind. Sie ließ auch einen Boykott japanischer Waren zu. Am Ende verloren beide Seiten.

Die nationalen Aufwallungen waren heftig, sowohl auf chinesischer als auch auf japanischer Seite. Die Mehrheit der Chinesen hatte dabei gar nichts gegen japanische Produkte oder einen Einkaufsurlaub im Nachbarland. Doch viele mussten sich gegenüber ihren anti-japanisch gesinnten Mitmenschen dafür rechtfertigen – und kauften lieber gleich ein deutsches Auto oder buchten den Urlaub in Thailand.

Für die japanische Industrie waren die Folgen dramatisch. Der Absatz des Autoherstellers Honda in China fiel im vergangenen Jahr um 54 Prozent. Seither erholt das Geschäft sich nur langsam. Japan-Buchungen chinesischer Touristen sind um drei Viertel gefallen, trotz der günstigen japanischen Währung. Dabei hatte sich der japanische Einzelhandel längst auf die kaufkräftigen chinesischen Kunden eingestellt. In Tokio können die Kunden in den meisten Geschäften inzwischen auch mit der chinesischen Bankkarte „Unionpay“ bezahlen.

Auch japanische Investitionen in China gingen merklich zurück. Die Unternehmen fürchten die feindliche Stimmung. Insgesamt schwächte sich das japanische Wachstum aufgrund des Konfliktes um rund einen Prozentpunkt ab – ausreichend, um das Land in eine Rezession zurückzuwerfen.

China aber schadet sich durch den Streit auch selbst. Das Land profitiert erheblich von den Geschäftskontakten zu Japan. Das war schon in der Vergangenheit so: Nachdem Deng Xiaoping Ende der siebziger Jahre China für die Außenwelt öffnete und Marktwirtschaft zuließ, waren es zunächst japanische Firmen, die ins Land kamen und mit technischem Wissen aushalfen. Shanghai trug noch die Narben der Kulturrevolution, da errichtete der Stahlkocher Nippon Steel die ersten modernen Hochöfen. Durch die Zusammenarbeit mit Japan gelang China das, was die sozialistische Wirtschaftspolitik von Mao Zedong all die Jahrzehnte zuvor nie schaffte: Chinas Aufstieg zu einer Stahlmacht. Der damalige Nippon-Partner Baosteel ist heute der viertgrößte Produzent der Welt.

Inzwischen hat der Austausch zwischen den beiden Mächten jedoch erheblich nachgelassen – nicht nur wirtschaftlich, auch an den Universitäten. Der Anteil chinesischer Auslandsstudenten in Japan ist in den vergangenen zehn Jahren von rund 70 auf 20 Prozent gesunken. Der Anteil japanischer Gaststudenten in China liegt nur noch im einstelligen Bereich.

Dabei könnte Japan ein wichtiger Technikpartner für China bleiben. Japan gehört zu den wichtigsten Innovatoren weltweit und führt in vielen Branchen den technischen Fortschritt an. Wie wichtig die Kooperation mit Japan für viele chinesische Branchen auch weiterhin ist, zeigt sich an einer Delegationsreise chinesischer Wirtschaftsführer in diesen Tagen nach Tokio. Sie werben dort um gute wirtschaftliche Beziehungen. Die Bosse vom Festland sind besorgt: Wenn die Verhältnisse zwischen den Ländern schlecht bleiben, leidet das Geschäft.

Japan ist zudem für China immer noch ein wichtiger Absatzmarkt. Das Inselland ist wohlhabend, und die chinesische Wirtschaft ist auf Ausfuhren angewiesen, um ihre enormen Produktionskapazitäten auszulasten. Gerade weil der Absatz in den USA und der EU derzeit schwach bleibt, ist der Handel innerhalb Asiens für die chinesische Exportindustrie umso wichtiger. Dieser Aspekt sollte bei all dem politischen und militärischen Säbelgerassel zumindest nicht ganz vergessen werden.