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Chinesen wollen keine ausländische Massenware

 

Noch vor einem halben Jahr schwärmte L’Oreal von seinem blendenden Geschäft in China. Hohe Zuwachsraten würden dafür sorgen, dass China schon bald wichtigster Markt für den französischen Kosmetikkonzern werde. Von zweistelligen Wachstumsraten war die Rede und von vielen bislang unerschlossenen Regionen, die weiteres Wachstum versprechen. Doch nun gibt L’Oreal mit seiner zweitstärksten Marke auf. Vor drei Tagen kündigten die Franzosen an, dass sie ihre Einsteigermarke Garnier vom chinesischen Markt nehmen werden.

Zur Begründung wird der schwache Umsatz genannt. Nach Angaben des Konzerns machten die Shampoos und Gesichtspflegemittel der Marke Garnier zuletzt nur noch einen Mini-Anteil von etwas mehr als einem Prozent der gesamten China-Umsätze aus. Da letztere bei rund 1,5 Milliarden Euro liegen, waren das gerade einmal 15 Millionen Euro – viel zu wenig für ein so großes Land, in dem Kosmetikprodukte aller Unternehmen zusammen fast 20 Milliarden Euro im Jahr einbringen. China ist hinter den USA und Japan inzwischen der drittgrößte Kosmetik-Markt der Welt. Während jedoch die Märkte in Japan und den USA weitgehend stagnieren, soll es in China in den nächsten Jahren weiter steil bergauf gehen. Marktforscher rechnen allein 2013 und 2014 mit einem Zuwachs von jeweils zehn Prozent.

Der Konzern L’Oreal, der unter anderem auch für seine Luxusmarken wie Lancôme, Biotherme und Kiehl’s bekannt ist, hatte die günstigere Marke Garnier einst gezielt als Einsteigermarke für aufstrebende Schwellenländer vorgesehen. Die Haar- und Hautpflegeprodukte von Garnier sollten die Menschen an die L’Oreal-Produkte heranführen, damit sie mit steigendem Wohlstand auch zu teuren Produkten des Konzerns greifen. Mit dieser Strategie ist L’Oreal in einer Reihe von Ländern durchaus erfolgreich gewesen.

In China hat dies jedoch nicht funktioniert. Garnier ist nicht preiswert genug, zugleich aber auch nicht ausreichend luxuriös für den chinesischen Geschmack, sagen Marktexperten. Für preiswerte Haar- und Hautpflegeprodukte greifen die chinesischen Konsumenten inzwischen lieber auf heimische, sehr viel günstigere Produkte zu, die qualitativ längst mit Produkten wie Nivea, Pond’s und eben Garnier mithalten können. Bevor einige Yuan mehr für Kosmetik auf den Ladentisch gelegt werden, greift der chinesische Konsument lieber gleich zu hochpreisigen Produkten – nach dem Motto: Wenn schon teuer, dann aber richtig. Mit Lancôme, Kiehl’s und seinen vielen anderen Luxusmarken macht L’Oreal in China auch weiterhin gute Geschäfte.

Garnier ist nicht die einzige Marke, die künftig in China aus den Regalen verschwindet. Eine ähnliche Erfahrung musste zuletzt auch der US-Kosmetikriese Revlon machen. Revlon, immerhin seit 1996 in China präsent, hatte sich ebenfalls viele Jahre lang um das mittlere Preissegment im Kosmetiksektor bemüht. Das US-Unternehmen wollte von der wachsenden chinesischen Mittelschicht profitieren, die auf ausländische Kosmetikmarken setzten, aber sich das Luxussegment nicht leisten konnten. Ende des Jahres gab die Konzernführung von Revlon bekannt, ihr Geschäft in der Volksrepublik komplett einzustellen. Mehr als 1.100 Arbeitsplätze gehen verloren.

Die Kapitulation sowohl von Garnier als auch Revlon zeigt, wie ausdifferenziert das chinesische Konsumverhalten inzwischen ist. Mit durchschnittlichen Massenprodukten ist es nicht mehr getan. Wem die Marke egal ist, bedient sich chinesischer Produkte, die sowohl qualitativ als auch von der Aufmachung her kräftig nachgezogen haben und im unteren und mittleren Segment nun den Markt beherrschen.

Der anspruchsvollere Konsument setzt auf Exklusivität. Produkte, die in jedem Supermarkt eingeschweißt im Familienpack erhältlich sind, sind ihm suspekt. Nach diversen Lebensmittel- und Medikamentenskandalen misstraut diese Klientel ohnehin jedem Produkt, das als Massenware die Regale füllt. Kleine Marken, bei denen in kurzer Abfolge die Produkte ausgewechselt werden, kommen bei dieser Kundschaft hingegen sehr gut an.

Zumindest im Kosmetiksektor ist China damit nicht länger mehr ein Entwicklungsland.