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Chinas neue Hyperwaffe

 

Es ist noch nicht lange her, da haben sich ausländische Militärexperten über Chinas Waffenarsenal lustig gemacht. Die Raketen und Artilleriegeschosse, die die Volksbefreiungsarmee auf Militärparaden präsentierte, hatten was von Spielzeugwaffen. Sie wirkten marode und waren technisch veraltet. Den Spott von einst würde heute keiner mehr wagen. Denn inzwischen haben die Chinesen mächtig aufgeholt.

Der jüngste Beweis ereignete sich Anfang Januar. Da beobachtete das US-Verteidigungsministerium, wie von chinesischem Territorium eine Langstreckenrakete ins All startete. Knapp oberhalb der Erdatmosphäre setzte das Geschoss einen Gleiter frei, der anschließend auf die Erde zuraste – und zwar in Hyperschallgeschwindigkeit. Die Aussagen zu dem Testflug aus dem Pentagon decken sich mit bekannten Rüstungsplänen des chinesischen Militärs. Hyperschallgeschwindigkeit ist mindestens fünfmal so schnell wie Schallgeschwindigkeit. Es geht um 6.179 Stundenkilometer und mehr.

Chinas Führung hat den Test inzwischen bestätigt. Das chinesische Staatsradio zitierte einen Sprecher des Verteidigungsministeriums mit den Worten, Chinas „wissenschaftliche Forschung und Experimente“ seien „normal“. Er versicherte, dass sie sich nicht gegen ein bestimmtes Land oder Ziel richteten.

Flugkörper in Hypergeschwindigkeit sind die schnellsten Waffenträger, die es in absehbarer Zeit geben wird. Wer diese Technik beherrscht, dem ist es möglich, binnen einer Stunde jeden Ort der Erde angreifen zu können. Während Langstreckenraketen vom gegnerischen Radar erfasst und ihre Zielgebiete schnell errechnet werden können, ist das bei Flugkörpern in Hyperschallgeschwindigkeit kaum möglich. Sie sind so schnell, dass Abwehrraketen sie nicht rechtzeitig abschießen können. Die Technik ist auch deswegen kompliziert, weil der Gleiter beim Eintritt in die Erdatmosphäre extremen Temperaturen ausgesetzt ist. Den Gleiter auf Kurs zu halten, ist bei der hohen Geschwindigkeit ebenfalls schwierig.

Bislang war es nur den USA gelungen, Flugkörper im Hyperschall-Bereich zu testen. Das war im Herbst 2011. Die Amerikaner schafften es, das Vehikel innerhalb kurzer Zeit auf 6.400 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen. Die Militärtechnologie der Amerikaner ist den Chinesen also nur noch weniger als drei Jahre voraus. Zu Recht befürchtet das Pentagon, dass China schon bald über eine superschnelle Angriffswaffe verfügt, die das bisherige US-Abwehrsystem nicht aufhalten könnte. Auch Russland und Indien bemühen sich um die Hyperschalltechnik, können bislang aber keine nennenswerten Erfolge vorweisen.

Zugleich beweist der Test einmal mehr, was internationale Militärexperten schon lange beobachten: Die chinesische Führung hat sich von ihrer Doktrin verabschiedet, die Deng Xiaoping zu Beginn von Chinas Öffnungspolitik Anfang der achtziger Jahre vorgegeben hatte. Damals sicherte er zu, dass die Volksrepublik sich auf keinen Rüstungswettlauf einlassen werde und lediglich auf Selbstverteidigung setze. Offiziell gilt diese Doktrin bis heute.

Waffentaugliche Flugkörper im Hyperschall-Bereich dienen aber keineswegs der Selbstverteidigung, sondern sind unbestritten Angriffswaffen. Schon seit einiger Zeit beobachten Militärexperten aus aller Welt eine Kehrtwende in der chinesischen Verteidigungspolitik. Über eigene Atom-U-Boote, Spionagesatelliten und Interkontinentalraketen verfügt die chinesische Volksbefreiungsarmee bereits. Mit Beidou hat China zudem noch vor den Europäern ein eigenes Navigationssystem in Betrieb genommen – in Konkurrenz zum US-kontrollierten GPS. Damit wird Chinas Militär schon sehr bald die einzige Armee sein, die technisch unabhängig von den USA ist.

Bemerkenswert auf US-amerikanischer Seite ist, welches Medium als erstes die Nachricht vom Hyperschall-Test der Chinesen aufgegriffen hat: das Online-Portal „The Washington Free Beacon“. Dabei handelt es sich um eine Website, die von konservativen Kräften betrieben wird, die der US-Rüstungsindustrie nahestehen. Sie lancieren schon seit einiger Zeit Berichte über Chinas Aufrüstung und warnten vor der wachsenden militärischen Bedrohung aus der Volksrepublik. Dem könne nur mit einer weiteren Aufrüstung der USA begegnet werden.