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Die Auto-Party ist schon bald vorbei

 

Besonders rosig sieht es wirtschaftlich auch in China nicht mehr aus. Der Immobiliensektor schwächelt, die Wachstumsraten sinken, die Schuldenstände der Staatsunternehmen steigen stark, darunter leiden die Banken – nervöse Stimmung, in welche Bereiche man auch schaut. Immer mehr Ökonomen fürchten, dass nun auch die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt Probleme bekommt. Der einstige Wachstumsmotor der Weltwirtschaft – er stockt. Nur eine Branche scheint diesem allgemeinen Abwärtstrend zu trotzdem: die Autoindustrie.

An diesem Wochenende beginnt in der chinesischen Hauptstadt die Pekinger Autoshow. Trotz hohen Smogwerten herrscht in der ganzen Stadt Party-Stimmung. Die chinesische Seite feiert sich. Denn die Peking Autoshow hat sich innerhalb weniger Jahre zur Leitmesse der gesamten Branche in Asien entwickelt und gehört inzwischen zu einer der wichtigsten der Welt. Zu den größten Stimmungskanonen gehört aber die deutsche Autoindustrie.

Tatsächlich ist China für die Deutschen eine Goldgrube. In keinem anderen Land verdienen die Hersteller soviel Geld wie in der Volksrepublik. So hat sich die Zahl der von deutschen Herstellern in China verkauften Fahrzeuge in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdreifacht: Von 1,1 auf 3,7 Millionen Autos. Der Anteil Chinas am gesamten Absatz nahm von 12 auf 28 Prozent zu. Audi verkaufte im Reich der Mitte allein im ersten Quartal 125.000 Fahrzeuge – ein Plus von 21 Prozent im Vergleich zum ohnehin starken Vorjahr. Rivale Mercedes-Benz machte sogar einen Absatzsprung um 47 Prozent auf 64.100 Autos. Der Wolfsburger Autobauer Volkswagen liefert inzwischen fast jeden zweiten PKW seiner Hauptmarke in China aus.

In großen Schritten soll es weitergehen: Daimler peilt für 2014 ein noch stärkeres Wachstum als die elf Prozent des vergangenen Jahres an und will in China 100 Geschäfte in 40 weiteren Städten eröffnen. Volkswagen will in den nächsten fünf Jahren 18 Milliarden Euro in chinesische Werke investieren und auch BMW will seine Produktion aufstocken. Um rund zehn Prozent wird der chinesische Automarkt voraussichtlich in diesem Jahr wachsen. Spätestens 2015 soll die Volksrepublik Europa als größten Absatzmarkt für deutsche Autobauer abgelöst haben.

Und doch hat der Erfolg in Fernost auch eine Kehrseite: Die deutsche Autoindustrie verstärkt ihre Abhängigkeit von chinesischen Kunden. Wie aus einer erst vor Kurzem veröffentlichen Studie des Beratungsunternehmen Ernst & Young hervorgeht, hängen 30 Prozent des Umsatzes aller deutschen Autounternehmen und deren Zulieferer von China ab. Ernst & Young-Automobilexperte Peter Fuß brachte es bei der Präsentation der von ihm erstellten Studie auf den Punkt: „Wenn China einen Husten kriegen sollte, bekommen alle eine Lungenentzündung.“

Und diese Gefahr ist äußerst real. Denn ein Ende des Booms ist unmittelbar absehbar. Grund ist der Kampf Chinas gegen  Luftverschmutzung. Die Verdreifachung der Zahl der Autos innerhalb von fünf Jahren hat sich in einer Reihe von chinesischen Großstädten längst bemerkbar gemacht. Die Autolobbyisten haben bislang stets gerne behauptet, der extreme Smog in Peking, Shanghai und inzwischen Hunderten von anderen Städten gehe überwiegend auf die Kohleindustrie zurück, auf dem Chinas Energiesektor zum großen Teil noch immer beruht. Bei den Autos hingegen gelte auch in chinesischen Großstädten längst die höchste Abgasnorm. Sie würden nur kaum zur Feinstaubbelastung beitragen.

Doch das ist gelogen. Denn erst die Autoabgase binden den durch Kohleverbrennung verursachten Feinstaub und tragen zu der giftigen Mischung bei, der die Luft in Chinas Städten verpestet – trotz der angeblich so hochwertigen Filter.

Chinas seit einem Jahr amtierender Premierminister Li Keqiang hat diesen Zusammenhang erkannt und will über Fahrverbote und eine deutliche Reduzierung der Autozahl die grassierende Luftverschmutzung eindämmen. Das so erfolgreiche erste Quartal 2014 im Automarkt wurde denn auch vor allem durch Panikkäufe von chinesischen Kunden beflügelt, die neue Beschränkungen bei der Autozulassung befürchten. Treten sie demnächst ernsthaft in Kraft, wird der Autoverkauf in China auf einen Schlag drastisch zurückgehen.

Schon auf der nächsten Autoshow in einem Jahr könnte die Katerstimmung überwiegen.