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Miserables Internet verärgert deutsche Firmen in China

 

Langsameres Wachstum, sinkende Umsätze, rasant steigende Arbeitskosten: Noch vor drei Wochen haben sich europäische Unternehmen in China über die düsteren Aussichten dort beklagt. „Die goldenen Zeiten in China sind vorbei“, sagte damals der Präsident der Europäischen Handelskammer, Jörg Wuttke, bei der Präsentation der jährlichen Stimmungsumfrage. Bei einer ähnlichen Erhebung nur unter deutschen Unternehmen kam jetzt ein ganz anderes Ergebnis heraus.

Zwar habe sich das Geschäftsklima im Vergleich zu den Vorjahren etwas verschlechtert, heißt es in der Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Doch von einem Ende des China-Booms könne auch weiterhin nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Noch mehr deutsche Unternehmen als im vergangenen Jahr erwarten in diesem Jahr steigende Umsätze und Gewinne in China, trotz des allgemein schwächeren Wachstums der chinesischen Volkswirtschaft.

Größtes Problem für die deutschen Unternehmen sind der Umfrage zufolge die steigenden Arbeitskosten und die schwierige Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. Um sie zu halten, müssten die deutschen Arbeitgeber ihren chinesischen Mitarbeitern immer höhere Löhne zahlen. Die großen deutschen Autobauer und eine Reihe von anderen deutschen Unternehmen haben untereinander zwar vereinbart, dass sie sich gegenseitig keine Mitarbeiter abwerben. Doch diese Absprache gilt nicht für die chinesische Konkurrenz. Diese giert geradezu nach Beschäftigten, die bei deutschen Unternehmen Arbeitserfahrung gesammelt haben oder zum Teil auch ausgebildet wurden. Eine gesetzlich vorgeschriebene Berufsausbildung fehlt in der Volksrepublik in den meisten Branchen bislang.

Als ein weiteres großes Problem geben die deutschen Unternehmer erstmals auch die miserablen Internetverbindungen an. Fast neun von zehn von ihnen beklagen in der Umfrage, die verlangsamten Geschwindigkeiten würden sich „negativ“ auf ihre Geschäfte auswirken. Zwar zählt China inzwischen die größte Internetgemeinde der Welt. Immer mehr Geschäfte, aber auch Dinge des alltäglichen Lebens werden auch in der Volksrepublik über das Internet abgewickelt. Doch seit einigen Monaten gehen die chinesischen Zensurbehörden wieder verschärft gegen ihr unliebsame Inhalte vor und blockieren ganze Dienste.

Twitter, Facebook und YouTube sind ohnehin seit Jahren in China blockiert. Zum 25. Jahrestag der Niederschlagung von Demonstrationen für Demokratie auf dem Tian’anmen-Platz sperrt die chinesische Führung jedoch auch Google-Dienste und andere Webseiten aus dem Ausland. Aus diesem Grund beteiligten sich in diesem Jahr auch deutlich weniger Unternehmen an der Befragung der deutschen Handelskammer – von den Unternehmen, die sich an der Erhebung beteiligten, brach mindestens ein Drittel die Teilnahme zwischendurch ab, weil die Verbindung zu langsam war, berichten die Organisatoren.

Trotz all dieser Probleme: Die meisten deutschen Unternehmen blicken weiterhin zuversichtlich auf ihre Geschäfte in China. Fast jedes zweite Unternehmen gab an, die Volksrepublik gehöre inzwischen zu einem ihrer drei wichtigsten Märkte, für 16 Prozent ist China sogar der wichtigste Markt. Für die meisten von ihnen sind die niedrigen Produktionskosten schon lange nicht mehr der Hauptgrund, sich in China zu engagieren, sondern vor allem der viel versprechende Absatzmarkt der rasant wachsenden chinesischen Mittelschicht.

Doch warum schätzen deutsche Unternehmer die Geschäftsaussichten sehr viel positiver ein als die meisten europäischen Kollegen? Vor allem viele südeuropäische Unternehmen, aber auch französische und britische Firmen befinden sich aufgrund wirtschaftlicher Probleme in der Heimat zunehmend auf dem Rückzug in China. Sie können sich keine umfassenden Investitionen in der Volksrepublik mehr leisten. Dieses Problem haben deutsche Unternehmen nicht. Und deutsche Autos und Maschinen stehen bei Chinesen auch weiterhin hoch im Kurs.