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Noch mehr Zensur

 

Bis vor Kurzem überwog unter vielen chinesischen Journalisten noch der Optimismus: Das Internet und ganz besonders die sozialen Netzwerke haben ihre Arbeit in dem autoritär geführtem Land einfacher gemacht. Hinzu kommt, dass die staatlich kontrollierten Medien in China unter erheblichem wirtschaftlichen Druck stehen. Mit der bloßen Wiedergabe von trockenen KP-Stellungnahmen ist es nicht getan. Die Leser wollen interessant aufbereitete, unabhängige Berichte und Reportagen lesen. Können das die etablierten Medien nicht leisten, suchen die Chinesen in den Weiten des Internets – und werden dort auch meist fündig.

Der Druck durch das Netz hat dazu geführt, dass sich in den vergangenen Jahren zumindest in einer Handvoll staatlich kontrollierter Zeitungen trotz Zensur eine recht vitale und auch zuweilen kritische Berichterstattung entwickeln konnte. Dazu zählt etwa die Nanfang Zhoumuo (Südliches Wochenende), eine Wochenzeitung aus der südchinesischen Metropole Guangzhou, wo ohnehin ein sehr viel liberalerer Geist weht als in der Hauptstadt Peking.

Doch nun gibt es einen herben Rückschlag.

Die staatliche Zensurbehörde hat in der vergangenen Woche chinesischen Journalisten die Weitergabe „heikler Informationen“ untersagt. Das betrifft vom Staat offiziell nicht autorisierte Veröffentlichungen ebenso wie Geheimnisse von Unternehmen. Geben chinesische Journalisten ihre Recherchen an ausländische Medien weiter oder veröffentlichen sie die Informationen etwa in privaten Blogs, droht ihnen eine Klage wegen Staatsverrats. Auslandskorrespondenten wie mich betrifft die Verordnung nach meinen bisherigen Kenntnissen nicht. Doch auch für uns wird die Recherche schwieriger, wenn chinesische Kollegen nun mit Strafen rechnen müssen, wenn sie Informationen an uns weitergeben.

In erster Linie richten sich die Maßnahme gegen chinesische Investigativ-Journalisten. Viele von ihnen seien aus dem staatlich kontrollierten Mediensystem ausgebrochen und hätten ihre Position missbraucht, heißt es in einer Erklärung des Nationalen Amtes für Presse, Radio, Film und Fernsehen. „Das hat der Partei und dem Land geschadet.“ Bereits seit Juni ist es Journalisten verboten, außerhalb ihrer Provinzen zu recherchieren, sofern sie nicht vorher ausdrücklich die Erlaubnis ihrer Arbeitgeber und der Behörden vor Ort eingeholt haben.

Chinesische Journalisten decken Skandale auf

In den vergangenen Jahren haben chinesische Journalisten eine Reihe von Korruptionsskandalen aufgedeckt. Auf den ersten Blick scheint dies auch im Einklang mit der Haltung des Staatspräsidenten Xi Jinping zu sein, der unmittelbar nach Amtsübernahme vor anderthalb Jahren den Kampf gegen die Korruption zu einer seiner wichtigsten Aufgaben erklärt hatte. Doch er will offenbar die Entscheidungshoheit behalten. Xi Jinping allein will darüber entscheiden, gegen wen wegen Korruption vorgegangen wird und gegen wen nicht. Unabhängige Recherchen von Journalisten passen da nicht rein.

Auch die Arbeitsbedingungen der Southern-Mediengruppe, zu der die Southern Weekly gehört, haben sich bereits deutlich verschlechtert. Anfang 2013 war es zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen der Belegschaft und der örtlichen Zensurbehörde gekommen. Nachdem der Chefkommentator einen Leitartikel für die Neujahrsausgabe geschrieben hatte, in dem er zu politischen Reformen aufrief, ersetzte ihn der Propagandachef der Provinz durch einen Text, in dem das Gegenteil zu lesen war. Aus Protest gegen diesen drastischen Eingriff drohte ein Teil der Belegschaft mit Streik. Landesweit kam es zu Solidaritätsbekundungen. Der Streit wurde zwar nach offiziellen Angaben im Einvernehmen beigelegt. Die meisten leitenden Redakteure, die den Protest damals unterstützten, sind inzwischen aber ausgetauscht.

Für Aufsehen sorgte am Freitag auch die Festnahme des in China bekannten Fernsehmoderators Rui Chenggan. Kurz bevor Beginn seiner Wirtschaftssendung im chinesischen Staatsfernseher wurde er verhaftet. Dabei gilt er als ausgesprochen regierungsfreundlich. Ersten Berichten zufolge soll er aber auch nicht Probleme mit der Zensur haben. Gegen ihn wird wegen Korruption ermittelt.