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China will Seidenstraße wiederbeleben

 

Kamel-Karawanen beladen mit seltenen Gewürzen, Ölen und Seide – die nach diesem edlen Stoff benannte Seidenstraße verband mehr als 1.000 Jahre lang China mit den europäischen Mittelmeerländern. Kriege in Zentralasien, das finstere Mittelalter in Europa und politisch wirre Zeiten auch in China führten zum Niedergang der einst längsten Handelsroute der Welt. In der Kolonialzeit fanden die Europäer viele Jahre später einen Weg nach Ostasien übers Meer. Nun will China die Seidenstraße wiederbeleben und zwar sowohl auf dem Land- als auch auf dem Seeweg.

Im September hat Chinas amtierender Staatspräsident Xi Jinping Sri Lanka, Indien und die Malediven besucht. Zugleich umgarnt er wie kein Vorgänger vor ihm die zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan, Kirgisien und sogar den Iran. Die intensive Beziehungspflege dient nur einem Zweck: China will den Handel entlang dieser historischen Route unter seine Kontrolle bringen.

Pekings Vision einer neuen Seidenstraße sieht zwei Routen vor. Die eine erstreckt sich von China über die zentralasiatischen Staaten bis nach Europa und ist damit ziemlich deckungsgleich mit der historischen Seidenstraße. Die zweite sogenannte maritime Seidenstraße führt über das Südchinesische Meer, den Indischen Ozean nach Afrika und den Nahen Osten, hinauf ins Rote Meer und über den Sueskanal bis ins Mittelmeer. Diese Route gehört schon heute zu einer der am häufigsten genutzten weltweiten Handelswege. Doch die meisten Umschlagplätze entlang dieser Strecke sind nicht im Besitz Chinas. Die Regierung in Peking will sich deshalb eigene Standorte schaffen.

Derzeit bauen und sponsern die Chinesen gigantische Hafenanlagen entlang dieser Route. In Colombo etwa, der Hauptstadt Sri Lankas, hat die chinesische Führung umgerechnet rund 1,1 Milliarden Euro für den Hafenausbau zur Verfügung gestellt, die bislang größte je in dem Inselstaat getätigte ausländische Direktinvestition. China fördert zudem den Ausbau der Häfen in Kolkata, Rangun und Lamu in Kenia. Auch der Kauf des griechischen Hafens Piräus ist Teil dieses ehrgeizigen Plans.

Parallel investiert Peking gigantische Summen in den Ausbau des transkontinentalen Güterzugverkehrs. Die chinesischen Metropolen Chongqing, Zhengzhou, Xi’an und Shenyang sind bereits mit Istanbul, Duisburg, Hamburg oder Rotterdam verbunden. Weitere Verbindungen nach Europa sollen folgen. Während der bisherige Transport übers Meer bislang vier bis sechs Wochen dauert, verkürzt sich die Zeit auf dem Schienenweg auf 14 Tage.

Doch es geht nicht allein um schnellere Handelsverbindungen nach Europa. Auch die zentralasiatischen Länder hat die chinesische Führung im Blick. Unter den Ländern mit den größten Ölvorkommen rangiert Kasachstan immerhin auf Platz zehn. Daher hat China bereits eine rund 3.000 Kilometer lange Pipeline zwischen der nordwestlichen Provinz Xinjiang und dem Kaspischen Meer quer durch das rohstoffreiche Land gelegt. Weitere sind im Bau. Und auch auf die Rohstoffvorkommen von Turkmenistan haben es die Chinesen abgesehen. 2013 lieferten die Turkmenen bereits mehr als die Hälfte ihres geförderten Gases an die Volksrepublik. Die Chinesen beliefern die zentralasiatischen Länder wiederum mit Elektronik und Konsumgütern.

Zwar haben auch die Europäer und die US-Amerikaner das wirtschaftliche und strategische Potenzial der zentralasiatischen Staaten entdeckt. Chinas größter Konkurrent ist aber nicht der Westen, sondern Russland. Offiziell sind Peking und Moskau um gute Beziehungen bemüht. Doch hinter den Kulissen tobt bereits seit einigen Jahren der Kampf um die Hoheit in diesen Ländern. Kulturell fühlen sich die meisten zentralasiatischen Länder derzeit eher Russland verbunden. In den Städten leben viele Russen, es wird auch noch viel russisch gesprochen. Doch die Chinesen holen rasch auf. Kirgisiens Wirtschaft beruht bereits zu 15 Prozent auf dem Handel mit China. Ähnlich hoch liegt der Anteil in Kasachstan und Tadschikistan.

Es gibt jedoch einen Haken für die Chinesen in Zentralasien. Die zumeist ebenfalls autoritären Regime in diesen Ländern begrüßen Chinas Engagement zwar. Unter der Bevölkerung sind die Chinesen jedoch alles andere als beliebt. Die Menschen beklagen das oft ruppige Vorgehen der chinesischen Geschäftsleute. China droht in Zentralasien das sogenannte Myanmar Syndrom. Als die Militärjunta das südostasiatische Land mit harter Hand regierte, waren die Investoren aus dem Reich der Mitte willkommen. Seitdem das Regime aber die Zügel gelockert hat, wächst der Unmut der dortigen Bevölkerung gegen China.