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Smog-Film bewegt Chinas Massen

 

Umweltschutz ist in China Staatsdoktrin. Seitdem der chinesische Premierminister Li Keqiang insbesondere die Bekämpfung der Luftverschmutzung zur Chefsache erklärt hat, gehört es auch für Prominente und Politiker zum guten Ton, sich öffentlich für den Schutz der Umwelt auszusprechen. Provinzgouverneure und lokale Parteisekretäre werden daran gemessen, ob es ihnen gelingt, den Smog in ihren Städten und Regionen einzudämmen. Für zu viel Wirbel soll das Engagement für die Umwelt allerdings nicht sorgen.

So zumindest widerfährt es derzeit der in China landesweit bekannten Journalistin Chai Jing: Die ehemalige Fernsehmoderatorin des chinesischen Staatsfernsehens CCTV hat am Wochenende ein Video veröffentlicht, in dem sie in einem insgesamt 144-minütigem Vortrag detailliert, zugleich aber emotional sehr bewegend über die Gefahren von Chinas dramatischer Luftverschmutzung aufklärt.

„Under the Dome“ hat sie das Video genannt – in Anlehnung an den US-amerikanischen Science-Fiction-Roman von Stephen King und die gleichnamige Fernsehserie. Der Roman handelt von der Kleinstadt Chester Mill, die aus mysteriösen Gründen von einer Kuppel vom Rest der Welt abgeschnitten wird und deren Bewohner von Giftkatastrophen heimgesucht werden. Die Kuppel erinnert Chai Jing an Chinas dichten Smog, der sich regelmäßig über zahlreiche chinesische Städte legt.

Die 39-Jährige hat vor einem Jahr ihre Fernsehkarriere aufgegeben, nachdem die Ärzte bei ihrem neugeborenen Kind Lungenkrebs festgestellt hatten. „Ich sah den Smog plötzlich aus den Augen meiner Tochter“, schildert Chai in dem Video. Sie zitiert auch den früheren Gesundheitsminister Chen Zhu. Er gab vor einem Jahr bekannt, dass die Luftverschmutzung in China jährlich für bis zu einer halben Million vorzeitigen Todesfälle verantwortlich ist. Für den Film hat Chai Jing aus eigener Tasche umgerechnet rund 150.000 Euro ausgegeben.

Die chinesischen Staatsmedien griffen den Beitrag zunächst bereitwillig auf. Die Volkszeitung, das offizielle Verlautbarungsorgan der regierenden Kommunistischen Partei, interviewte Chai sogar. Auch beim neuen chinesischen Umweltminister Chen Jining fand der Film Zuspruch. Er schickte Chai eine Kurznachricht und bedankte sich für ihr Engagement.

Die größte Resonanz auf das Video gab es im chinesischen Internet: Innerhalb von 48 Stunden zählte das Video allein auf der chinesischen Plattform Tencent über 126 Millionen Aufrufe. Der Film ist seitdem auch das alles bestimmende Thema in den sozialen Netzwerken: Allein der Kurznachrichtendienst Sina Weibo zählte am Montag über 280 Millionen Einträge. Ein unabhängiger Beobachter meint bereits, dieser Film könnte China nachhaltig verändern.

Prompt hat das allerdings auch die chinesischen Zensurbehörden auf den Plan gerufen. Noch ist das Video auf Tencent und den meisten anderen Videoportalen abrufbar. Im Internet kursiert aber eine angeblich geleakte Anweisung der Zensoren an sämtliche Staatsmedien, sich mit Berichten über den Film von Chai Jing „zurückzuhalten“. Zumindest die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua hat reagiert und sämtliche Berichte von ihrer Webseite genommen.

So viel emotionale Aufwallung ist der chinesischen Führung wenige Tage vor Beginn der Jahrestagung der Volkskongresses am Donnerstag dann offensichtlich doch nicht recht.

Anmerkung der Redaktion: Wegen Verletzung europäischer Urheberrechte ist das Video auf Youtube in Deutschland gesperrt. Wir haben daher die Verlinkung zum Video auf Youtube rausgenommen. Hier finden Sie das Video auf einer chinesischen Plattform.