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Chinesen sollen Raucher denunzieren

 

Offiziell ist das Rauchen in Pekings Restaurants seit Jahren verboten. Doch wer sich bei den Kellnern über den Gestank am Nachbartisch beschwerte, erntete bislang allenfalls verlegenes Achselzucken. Und auch sonst war die Toleranzschwelle gegenüber Nikotinsüchtigen ausgesprochen hoch: In einigen Restaurants stehen auf den Tischen zwar kleine Nichtraucherschilder – aber daneben auch ein Aschenbecher. Dieser Toleranz will die Pekinger Stadtverwaltung nun ein Ende setzen.

Mit einem der strengsten Gesetze der Welt will sie ab dem 1. Juni das Rauchen in sämtlichen Restaurants, Hotels, Bussen, Büros und sonstigen Arbeitsstätten in Peking verbieten. Ausnahmen soll es keine geben. Selbst abgetrennte Raucherräume sind nicht gestattet. Die Geldstrafe wurde kräftig erhöht: Sie lag bislang bei umgerechnet 1,50 Euro – wenn überhaupt. Nun müssen Raucher bei Verstoß rund 30 Euro zahlen. Und sogar die Restaurantbesitzer können belangt werden: Ihnen drohen Strafen bis zu mehreren Tausend Euro.

Die Maßnahmen der Pekinger Stadtverwaltung nehmen zum Teil groteske Züge an. Schüler und Angestellte bekommen spezielle Handzeichen beigebracht, die Mitmenschen zum Nichtrauchen auffordern. Die ausgestreckte linke Hand heißt: Bitte hören Sie sofort auf. Selbst zur Denunziation wird ermutigt: Auf einer speziellen Regierungsseite sollen Bürger illegales Rauchen anschwärzen können. Wer drei Mal beim Verstoß gegen das Nichtrauchergesetz erwischt wird, dessen Name wird einen Monat lang auf dieser Website aufgelistet.

In keinem Land wird so viel gequalmt wie in der Volksrepublik. 360 Millionen der insgesamt 1,3 Milliarden Chinesen rauchen, mehr als die Hälfte der Männer greift regelmäßig zur Kippe. Rund 740 Millionen Menschen zählen zu regelmäßigen Passivrauchern, darunter 182 Millionen Kinder. Anders als etwa in Deutschland oder den USA ist Rauchen im Reich der Mitte auch nicht verpönt. Im Gegenteil: Zigarettenmarken wie Panda oder Gute Katze gelten als Zeichen des Wohlstands. Wer bei Geschäftsessen die angebotene Zigarette verweigert, gilt als unhöflich. Nichtraucher widersetzen sich daher nur selten.

Bislang hat der Staat wenig Anlass gesehen, gegen das Laster vorzugehen. Er hat sogar kräftig daran verdient. Denn sämtliche chinesische Tabakkonzerne sind in Staatsbesitz. Hinter der gewaltigen Produktion von mehr als zwei Billionen Zigaretten jährlich steht die China National Tobacco Corporation (CNTC), ein Staatsunternehmen, das der Zentralregierung gigantische Einnahmen beschert: Das Unternehmen macht mehr Gewinn als die drei größten Tabakkonzerne außerhalb Chinas zusammen (Philip Morris International, British American Tobacco und die Altria Group). Die chinesische Tabakindustrie trägt jährlich zu rund sieben Prozent der Staatseinnahmen bei.

Absurderweise war die Tabakmonopolbehörde bislang auch für die Gesundheitskampagnen zuständig, die über die Gefahren des Nikotinkonsums aufklären sollen. Kein Wunder, dass die Kampagnen nur halbherzig verfolgt wurden. Zudem hielt die Behörde die Preise bewusst niedrig. Während sich die durchschnittlichen Einkommen der Bürger in den vergangenen zwei Jahrzehnten verzehnfacht haben, sind Zigaretten immer noch spottbillig: Eine Packung ist schon für umgerechnet rund 50 Cent erhältlich.

Künftig wird nun das Gesundheitsministerium für die Einhaltung des Rauchverbots zuständig sein. Deren Inspekteure dürften sehr viel weniger zimperlich mit Pekings Rauchern umgehen als die der Tabaklobby. Und auch die Preise ziehen an – wenn auch mäßig: Die Zigarettensteuer wurde jüngst um immerhin etwa zehn Prozent erhöht.