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Chinas Aktienblase platzt

 

Europa ist momentan vor allem mit Griechenland beschäftigt. Dabei lohnt sich in diesen Tagen auch ein Blick in den Fernen Osten. Denn auch da kracht es derzeit gewaltig. Und zwar in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt: China.

Die chinesischen Börsen sind am Mittwoch ein weiteres Mal kräftig abgestürzt. Der Shanghai Composite Index – das Börsenbarometer für den wichtigsten Handelsplatz auf dem chinesischen Festland – öffnete zum Handelsauftakt um bis zu acht Prozent niedriger als der Schlussstand am Vorabend, an der Börse in Schenzhen verloren die Aktien im Schnitt fünf Prozent an Wert. Bereits am Dienstag sackten beide Börsen um mehr als fünf Prozent ab, nachdem sie am Montag zwischenzeitlich um mehr als sieben Prozent in die Höhe geschossen waren. Seit dem Höchstwert Anfang Juni ist Schanghais Börse um mehr als 30 Prozent in den Keller gestürzt. Diese Talfahrt an den chinesischen Börsen geht nun schon seit mehr als drei Wochen.

Bei der chinesischen Führung schrillen die Alarmglocken: Damit die Aktien nicht noch weiter fallen, haben die Aufsichtsbehörden am Mittwoch fast 1.300 Unternehmen aus dem Handel genommen. Das entspricht fast der Hälfte der in Schanghai und Schenzhen gehandelten Aktien. Es wird vermutet, dass der Absturz der vergangenen drei Wochen umgerechnet rund 35 Milliarden Dollar an Aktienwerten vernichtet hat.

Dem ging freilich eine Aktienblase voraus, die wiederum viele real nicht vorhandene Milliarden in die Märkte gespült hatte. Bis Mitte Juni waren sowohl der Shanghai Composite als auch der Shenzhen Component innerhalb eines Jahres um mehr als 150 Prozent in die Höhe geschossen. Die chinesische Führung hatte dieses Börsenfieber befeuert. Sie sah im Zuge ihrer Finanzmarktreformen die Zeit reif, die bis dahin recht sparwütigen Chinesen zu wegen, ihr Geld an den heimischen Aktienmärkten anzulegen. Die Zentralbank öffnete die Geldschleusen, vergab großzügige Kredite und ermunterte die Bürger in Massen dazu, Aktiendepots zu eröffnen.

Der Anreiz wirkte. Ganz China befand sich im Börsenfieber. Selbst der im Zusammenhang mit riskanten Bullenmärkten oft beschriebene Taxifahrer spekulierte mit (alte Börsenweisheit: spätestens dann sollte man wieder aussteigen!). Und wer vor dem ersten Absturz vor drei Wochen seine Aktienpakete abstieß, konnte tatsächlich ein Vermögen realisieren.

Doch inzwischen läuft die von der chinesischen Führung initiierte Aktienralley völlig aus dem Ruder. Nachdem sie Mitte Juni aus Furcht vor einer zu großen Blase die Kreditvergabe zunächst wieder einschränkte, kam es zum ersten Knall. Binnen einer Woche verloren die Aktienwerte zwölf Prozent. Was folgte war ein Hickhack, den selbst gewiefte Börsianer weltweit noch nicht erlebt haben dürften: Chinas Zentralbank senkte die Zinsen und die Handelsgebühren, um den Absturz abzubremsen. Prompt schossen die Kurse wieder in die Höhe. Dann dämmte die Staatsführung den spekulativen Handel mit Hebelprodukten wieder ein. Die Kurse brachen erneut ein.

Nur: Mit jedem weiteren Schritt wird die Stimmung immer panischer. Denn fast allen Anlegern geht es nur noch darum, ihre Aktien möglichst zu einem noch halbwegs günstigen Kurs abzustoßen. Vertrauen in die Finanzmärkte haben sie nicht mehr.

Am vergangenen Wochenende hat Premierminister Li Keqiang auf einer eilig einberufenen Krisensitzung verkündet, neue Börsengänge vorerst auszusetzen. Und um die Märkte zu stabilisieren, hat er einige größere Wertpapierhäuser dazu verpflichtet, Aktienpakete für umgerechnet rund 17,5 Milliarden Euro zu kaufen. Das erklärt das kleine Zwischenhoch am Montag.

Doch seit Dienstag rauschen die Kurse immer weiter in den Keller – was zeigt, dass selbst die Wirkung dieser Zwangsmaßnahmen verpufft. Zugleich konterkariert Li damit sein selbst gestecktes Ziel, die Finanzwirtschaft mehr dem Markt zu überlassen. Prompt gab die chinesische Führung am Wochenende angeblichen ausländischen Kräften die Schuld und kündigte an, es solle wegen Marktmanipulation ermittelt werden. Mit dem nun beschlossenem Handelsverbot zieht Peking komplett die Notbremse. Fast die Hälfte des Handels ist ausgesetzt.

Bislang gehen chinesische Analysten davon aus, dass von der geplatzten Blase an den Aktienmärkten nur sehr geringe Ansteckungsgefahr ausgeht. Denn so wie das Geld über die großzügigen Kredite innerhalb kurzer Zeit geschaffen wurde, ist nun zumindest ein Teil wieder weg. Die Gewinne waren aber noch nicht in großen Mengen in die Realwirtschaft geflossen. Sie können ihr damit auch nicht entzogen werden.

Mit der lockeren Kreditvergabe verfolgte die Führung aber das Ziel, das Sparvermögen der Bürger hervorzulocken, damit Unternehmen über mehr Kapital verfügen und sie wiederum verstärkt in Chinas schwächelnde Wirtschaft investieren. Dieses Experiment ist damit auf ganzer Linie gescheitert.