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Die Autokrise in China ist hausgemacht

 

Branchenvertreter machen es sich zuweilen recht einfach mit ihren Erklärungen. Der chinesische Autoverband gibt den Kursabstürzen der vergangenen drei Wochen die Schuld an den drastisch eingebrochenen Autoabsatzzahlen in der Volksrepublik, dem bislang größten Pkw-Markt der Welt. Viele Leute hätten am Finanzmarkt sehr viel Geld verloren, da sei an Autokäufe nicht zu denken. Nur: Wenn es nach den Aktienkursen ginge, hätte der Verkauf in den vergangenen Monaten kräftig nach oben gehen müssen.

Shanghais Aktienmarkt hat innerhalb weniger Wochen mehr als ein Drittel seines Wertes verloren, davon den Großteil in der vergangenen Woche. Er hat sich zwar inzwischen wieder etwas erholt, aber nur aufgrund von drastischen Staatseingriffen. Die Zahl der Pkw-Verkäufe ging im Juni um drei Prozent zum Vorjahr auf 1,43 Millionen Autos zurück, es war der erste Rückgang seit mehr als zwei Jahren.

Den Kursrutschen ab Mitte Juni ging allerdings eine fast einjährige Boomphase an den Aktienmärkten voraus. Um mehr als 150 Prozent waren die Indizes an der Shanghaier Börse seit vergangenem Sommer in die Höhe geschossen. Selbst mit dem Wertverlust von 30 Prozent der vergangenen drei Wochen bleibt ein Plus von 70 Prozent über. Zumindest wer vor einem Jahr in den chinesischen Aktienmarkt eingestiegen ist und jetzt verkauft, hat trotz des Crashs der vergangenen Tage immer noch sehr viel Gewinn gemacht.

Dagegen ist die Stimmung in den chinesischen Autohäusern schon seit geraumer Zeit miserabel. Im April wurden gegenüber März elf Prozent weniger Pkw verkauft. Im Mai wurde ein weiterer Rückgang von vier Prozent verzeichnet. Der chinesische Verband der Automobilhersteller (CAAM) befürchtet in seiner aktuellen Prognose vom vergangenen Freitag, dass der weltgrößte Automarkt in diesem Jahr nicht einmal halb so stark wachsen wird wie zu Jahresbeginn noch angenommen.

Dass sich Chinas Autoabsatz seit Jahresbeginn zunächst verlangsamte und die Verkaufszahlen inzwischen sogar unter Vorjahr liegen, hat denn auch völlig andere Ursachen als der jüngste Börsencrash. Zum einen liegen die Gründe in den üblichen Konjunkturzyklen; doch einige Probleme sind auch hausgemacht.

Der Markt hat sich verändert

Chinas Automarkt gilt bereits seit einer Weile als übersättigt. Vor allem in Städten mit fünf Millionen Einwohnern und weniger – die bis vor Kurzem noch erfolgversprechendsten Märkte – gehen die Absatzzahlen seit vorigem Jahr zurück. Stand ein Neuwagen in guten Zeiten noch im Schnitt 36 Tage unverkauft im Autohaus, sind es jetzt oft zwei bis drei Monate. Viele Autohändler beklagen Überkapazitäten: Die Autobauer haben in den vergangenen Jahren einfach zu viel produziert.

Gerade die deutschen Autobauer haben sich nicht ausreichend auf die veränderten Rahmenbedingungen eingestellt – vor allem nicht auf die politischen. Besonders die Volkswagen-Tochter Audi sowie BMW erleben einen Einbruch beim Verkauf von Limousinen – dieses Segment war viele Jahre lang der größte Renditebringer, ist inzwischen jedoch am meisten von der seit zwei Jahre anhaltenden Antikorruptionskampagne betroffen. Luxusfahrzeuge gelten unter Regierungsangehörigen und Parteisekretären seitdem offiziell als verpönt und werden häufig gar nicht mehr erlaubt. Vor allem Audi hatte aber fast zwei Jahrzehnte auf diese höchst fragwürdige Klientel gesetzt.

Hoch im Kurs stehen hingegen günstige Geländelimousinen (SUV). Die aber hat beispielsweise Chinas Marktführer Volkswagen noch gar nicht im Angebot. Die Wolfsburger, die inzwischen jedes dritte Fahrzeug in der Volksrepublik absetzen, leiden entsprechend am meisten unter der Flaute.

Dem jüngsten Börsencrash kann also keine Schuld für die schlechten Geschäfte zugeschoben werden. Doch was nicht ist, kann noch werden: Sollten die Kurse weiter absacken, wird das sicherlich Auswirkungen auf den Autoabsatz haben. Nur dann werden die Zahlen noch sehr viel schlechter aussehen, als sie es jetzt schon sind.