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Klonkühe vom Fließband

 

China folgt schon seit geraumer Zeit dem Credo: Erlaubt ist, was nützt. Und zumindest aus offizieller chinesischer Sicht bringt Gentechnik mehr Nutzen als Schaden. Deswegen sind die ethischen Grenzen in der Volksrepublik in der Biotechnologie äußerst niedrig angesetzt. Landesweit forschen und experimentieren seit Jahren Zehntausende Wissenschaftler und Labormitarbeiter auch an Klonen. Die chinesische Führung unterstützt diese Forschung mit kräftigen Finanzspritzen. Nun will China mit der Massenproduktion starten.

Unter der Federführung des chinesischen Biotech-Unternehmens Boyalife errichtet ein Zusammenschluss mit weiteren Unternehmen und Forschungsinstituten in der nordchinesischen Hafenstadt Tianjin eine Fabrik, in der das Klonen von Haus- und Nutztieren zur Fließbandarbeit wird. Diese Fabrik soll bereits nach dem ersten Jahr rund 100.000 Rinder klonen können. Die Kapazität der rund 30 Millionen Euro teuren Anlage soll danach auf über eine Million Tiere pro Jahr steigen. Neben den Klonlaboren ist auch eine Gendatenbank geplant.

China hat einen erheblichen Bedarf an Kühen. Noch vor 20 Jahren gehörten Milchprodukte nicht zum täglichen Speiseplan eines durchschnittlichen Chinesen. Das hat sich massiv verändert. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat sich der Milchverbrauch auf derzeit rund 30 Liter pro Kopf mehr als verdoppelt und wird in den nächsten zehn Jahren Schätzungen zufolge auf über 60 Liter pro Jahr steigen. Jedes Jahr werden Hunderttausende Kühe aus Australien, Neuseeland, den USA und Europa nach China verschifft. Das Problem: Sie sind oft nicht ausreichend an die klimatischen Verhältnisse angepasst. Der Milchertrag fällt oft zu gering aus. Gentechnisch veränderte und geklonte Rinder sollen dieses Problem mildern. Doch nicht nur Rinder stehen auf der Laborliste. Boyalife hat bereits Spürhunde für Rettungskräfte geklont. Im Angebot sollen auch Katzen und Rennpferde stehen.

Beteiligt an der Klonfabrik ist neben chinesischen Unternehmen und Biotech-Instituten auch das südkoreanische Unternehmen Sooam Biotech. Diese Firma hatte 2004 schon einmal für Furore gesorgt, weil ihr Firmengründer Hwang Woo Suk in einer von ihm veröffentlichten Studie behauptet hatte, mithilfe eines Zellkerntransfers menschliche Embryonen klonen zu können. Diese Behauptung erwies sich als falsch. Einige Jahre später gelang es der Firma aber einen Hund zu klonen.

Nun sind China und Südkorea keineswegs die einzigen Länder, die aufs Klonen setzen. Weltweit gibt es bereits eine ganze Herde an geklonten Tieren. Züchter klonen die leistungsfähigsten Milchkühe mit den dicksten Eutern oder Rinder mit dem schmackhaftesten Filet. Die beiden ostasiatischen Länder wollen aber zu Vorreitern dieser Technologie werden. Im September präsentierten Wissenschaftler der Pekinger Landwirtschaftsuniversität mit „Niu Niu“ ihre erste geklonte und genetisch veränderte Kuh, die auch ein Kalb gebar. Niu Niu ist mit einem Gen ausgestattet, das für einen höheren Fettanteil sorgt. Das Fleisch soll daher besonders schmackhaft sein.

Eine öffentliche Debatte über die Klontechnologie gibt es in China nicht. In den Staatszeitungen finden sich keine kritischen Stimmen. Lediglich in den sozialen Netzwerken gibt es Stimmen, die die Klonfabrik spöttisch aufs Korn nehmen. „Ist ja schön, dass die Staatsführung sich um das Wohlergehen des Volkes sorgt“, schreibt ein Nutzer, fordert sie aber höhnisch auf, „doch gerne erst zuzugreifen, wenn das Klonfleisch serviert wird“. Ein anderer postet: „Erst schadet die Stadt Tianjin ihrer eigenen Bevölkerung, nun ganz China.“ In unmittelbarer Nähe der Klonfabrik war im August ein Gefahrengutlager explodiert. Dabei kamen 165 Menschen ums Leben.