Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Büchertipp: Das lese ich, was lesen Sie?

 

© Cycle Style, Horst A. Friedrichs, Prestel Verlag

Die Auswahl ist groß: Der Büchermarkt versorgt Radfahrer mit einer Vielzahl an Ratgebern, Biographien, Reiseberichten und Romanen. Das erleichtert den Geschenkekauf für Weihnachten. Die unten beschriebenen Bücher haben mir in den vergangenen Monaten besonders gut gefallen. Wie heißen Ihre Favoriten und was macht sie zu diesen?

Vom Glück auf zwei Rädern

„La petite reine“, kleine Königin, so nennen laut Robert Penn viele Franzosen ihr Fahrrad. Penn ist Brite, Journalist und Radfahrer. Seinen Alltag bestreitet er mit dem Fahrrad, genauer gesagt, mit fünf Rädern. Dann fand er, es sei Zeit für seine petite reine.

© Tolkemitt Verlag

Ein Rad, das ihn – wie er sagt – in den kommenden Jahrzehnten begleiten sollte. Es sollte das beste Rad sein, das er sich leisten konnte, ein Rad, mit dem er alt werden wollte. Das konnte für ihn keins von der Stange sein. Im Gegenteil: Penn trieb den Begriff custom-made auf die Spitze. Er setze sein Traumrad nicht nur aus den nach seinem Befinden besten Komponenten der Welt zusammen, er holte sie auch selbst ab: den Rahmen in England, die Laufräder in Kalifornien, den Lenkkopf in Portland, das Getriebe in Vicenza, den Lenker in Mailand und im deutschen Korbach die Reifen. Von dieser Reise, der Liebe zum Radfahren, von Komponenten und Geschichten rund ums Rad erzählt Vom Glück auf zwei Rädern.  Manchmal wird Penn dabei etwas pathetisch. Velophile Leser verzeihen ihm das. Denn welcher Radfahrer träumt nicht davon, mit seinem Lieblingsrahmenbauer einmal fachsimpeln zu dürfen?

Robert Penn: Vom Glück auf zwei Rädern. Aus dem Englischen von Andreas Simon dos Santos. Tolkemitt Verlag bei Zweitausendeins, 2011, 17,90 Euro.

 

Schwarzes Eis – Mit Mountainbikes auf dem Baikalsee

Der perfekte Fahrradurlaub sieht für jeden anders aus. Andreas Hessberg und Waltraud Schulze radelten über den Baikalsee. Fünf Wochen lang, bei -40 bis -20°C, über 1.000 Kilometer weit.

© Books on Demand

Sehr anschaulich schildern sie in ihrem Buch Schwarzes Eis – Mit Mountainbikes auf dem Baikalsee ihre Erlebnisse. Wie etwa ihre erste Nacht auf dem Eis, in der sie kaum schlafen, weil die Knack- und Reißgeräusche des meterdicken Eises sie wach halten „Manchmal hören wir das Knacken eines Risses von weitem uns nähern und förmlich unter uns dahin jagen. Zuerst ist es nur ein leichtes Knirschgeräusch, das etwas an zwei aneinander reibende Glasscheiben erinnert … Plötzlich wird das Geräusch so laut, dass es den Anschein hat, als öffne sich genau unter uns die über einen Meter dicke Eisplatte. Ein Geräusch wie das explodierende Knallen eines Peitschenschlags.“

Das Buch ist in Tagebuchform geschrieben, das passt zu der Geschichte. Der Leser fühlt sich als stiller Begleiter der Reisenden, gewöhnt sich mit den beiden Fahrern an die eisigen Temperaturen, erlebt mit ihnen das mühsame Schieben der Räder, wenn sich Eisschollen auftürmen und taucht mit ihnen ein in die Stille der Landschaft. Es ist ein sehr klares Buch, mit vielen nützlichen Tipps für Radreisende, die in kalten Regionen unterwegs sind. Und es zeigt, dass moderne Abenteuer penible Planung voraussetzen, monatelange Vorbereitung und eine ausgefeilte Logistik.

Andreas von Heßberg und Waltraud Schulze: Schwarzes Eis – Mit Mountainbikes auf dem Baikalsee, Books on Demand 2012, 19,95 Euro

 

Cycle Style

Das Fahrrad ist für viele Menschen ein erweitertes Lifestyle-Element, speziell in den Metropolen. Besonders eindrucksvoll illustrieren das die Fotos in dem Bildband von Horst A. Friedrichs. Der Fotograf lebt seit Jahren in London. Im Frühjahr wurde sein Bildband Cycle Style veröffentlicht. Seine Porträts repräsentieren sicherlich nicht die Radfahrer der Hauptstadt. Eher vermitteln sie eine Idee von der Londoner Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Stilen, ihrem Hang zum Extrovertierten und zur Perfektion.

© Cycle Style, Horst A. Friedrichs, Prestel Verlag

Für Friedrichs‘ Protagonisten gibt es keinen Zufall und auch kein Vielleicht. Weder beim Outfit noch beim Rad. Beides ergibt eine Einheit. Das Fahrradschloss in der Hosentasche ist ebenso absichtlich zur Schau gestellt, wie die Armbanduhr und das Tattoo, dass auf dem Oberarm der Bikerin so schön strahlt. Der Bildband zeigt sie alle: Die Bike-Polo-Spieler, die Brompton- wie die Pashley-Fahrer, Tweedrun-Teilnehmer und viele andere Vintage-Anhänger.

Das Buch kommt bis auf das Vorwort ohne Text aus. Und das ist auch gut so. Denn niemand will wirklich wissen, in welchem Büro die Frau mit dem Rosentattoo auf dem Arm arbeitet oder was den Brompton-Fahrer umtreibt. Die Fotos sind flüchtige Momente – jedes für sich ein kurzer perfekter Augenblick.

Horst A. Friedrichs: Cycle Style, Prestel Verlag 2012, 24,95 Euro

 

Albina und das Fahrrad

Es gibt wenig Fahrradromane. Albina und das Fahrrad ist so einer, etwas betagt, dafür nicht minder humorvoll und eine Liebeserklärung ans Radfahren. Dabei beginnt die Geschichte etwas behäbig. Aber spätestens nach 30 Seiten legt man das Buch nicht mehr aus der Hand. Dann begleitet man die junge Amerikanerin und Rennrad-Novizin Albina mit ihrem deutlich älteren Mentor und dessen Freunden auf diverse Ausfahrten durch die französische Bergwelt. Der Humorist und Drehbuchautor Jacques Faizant hat das Buch 1968 veröffentlicht.

© Covadonga Verlag

Faizant, selbst leidenschaftlicher Radfahrer, kannte die Marotten seiner Spezies sehr genau und spießt sie freundlich in seinem Buch auf. Ebenso verfährt er mit den Velo-Phoben – von denen es damals wohl mehr gab als heute. Sie beäugten misstrauisch die Männer auf ihren schmalen Reifen und wussten nicht so recht mit ihnen umzugehen. Hoteliers gaben den Radreisenden ihre schlechtesten Zimmer, Polizisten maßregelten die Rennradler fürs Freihändig fahren und Werkstattbesitzer wollten Räder ohne Motor nicht reparieren. Zwischen vielen kleinen Episoden lernt Albina pedalieren, mehr noch, sie mausert sich zum ebenbürtigen Mitglied der Truppe. Albina und das Fahrrad ist eine Liebeserklärung ans Radfahren, an pedalierende Frauen und die Schönheit der Sprache.

Jacques Faizant: Albina und das Fahrrad, Aus dem Französischen von Una Pfau, Covadonga Verlag, 2011, 12,80 Euro

 


Lötzsch  – Der lange Weg eines Jahrhunderttalents

Schlicht und eindringlich schildert Philipp Köster in der Biographie Lötzsch  – Der lange Weg eines Jahrhunderttalents die Geschichte des jungen DDR-Sportlers. Weil sein Cousin in den Westen floh, wurde Wolfgang Lötzsch als junger Fahrer kurz vor den Olympischen Spielen 1972 in München aus dem Kader der DDR-Nationalmannschaft aussortiert. Er sollte nicht mehr fahren, vergessen werden, bevor er richtig bekannt war. Aber Lötzsch ließ sich nicht „ausdelegieren“. Er wollte Radfahren und das so gut, dass die Funktionäre nicht an ihm vorbeikamen.

© Covadonga Verlag

Über mentale Stärke sprach damals noch niemand. Aber Lötzsch vereinte mentale Stärke und ein immenses Talent. Hätten sie ihn gelassen, hätte er für die DDR mit Sicherheit viele Siege eingefahren. Aber solange er sich weigerte, in die Stasi einzutreten, bekam er keine Fahrerlaubnis. Dennoch war er kein politischer Mensch. Er wollte Radfahren und gewinnen. Das tat er. Obwohl er auf bedeutend schlechterem Material unterwegs war, brüskierte er die Führungsriege und ließ seine ehemaligen Sportkollegen aus dem Nationalkader bei Rennen hinter sich. Das Buch ist kein literarisches Meisterwerk, aber eine sehr empfehlenswerte Lektüre nicht nur für Sportler.

Philipp Köster: Lötzsch – Der lange Weg eines Jahrhunderttalents, erweiterte Neuauflage, Covadonga Verlag 2012, 19,80 Euro