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Neue Radwege für Wilhelmsburg

 

Gelände der Internationalen Gartenschau 2013 in Hamburg, Computeranimation © igs 2013 gmbh/Gärtner und Christ

Verkehrsplaner brauchen einen langen Atem. Infrastruktur ist statisch, Veränderungen dauern lange. Allerdings öffnen sich manchmal Zeitfenster, die Spielraum bieten für innovative Projekte. In Wilhelmsburg ist das gerade der Fall. Der Hamburger Stadtteil befindet sich im Umbruch, die Hansestadt will dem ehemaligen Problem-Viertel ein neues Image verpassen. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 2007-2013 und der Internationalen Gartenschau 2013 wurden dort bereits Häuser und Straßenzüge renoviert, abgerissen und neu gebaut. Außerdem soll der Stadtteil eine neue Radinfrastruktur erhalten.

Das Planerbüro Südstadt aus Köln hat dafür ein Konzept erstellt; was davon alles umgesetzt wird, ist allerdings noch offen.

Ein wichtiger Punkt des Konzepts sind zentrale Radwege, die den Stadtteil und das Umland mit dem Zentrum verbinden. „Das sind großzügige Radwege im Sinne so genannter Radschnellwege, möglichst barrierefrei und mit Vorrang für Radfahrer an Knotenpunkten“, erläutert Franz Linder vom Planerbüro.

Solche Radwege sollen Pendler dazu animieren, verstärkt vom Auto aufs Rad umzusteigen. Noch sind in Deutschland keine Radschnellwege gebaut. Aber es wird nicht mehr lange dauern, denn die Zeit dafür ist längst reif. In vielen Städten und Kommunen liegen Pläne dafür bereit; Förderanträge warten darauf, bewilligt zu werden. Im Herbst hat ein Expertengremium in Nordrhein-Westfalen die ersten verbindlichen Anforderungen für Radschnellweg festgelegt.

„Diese Trassen sind große Eingriffe in die Infrastruktur“, sagt Linder. Sie beanspruchen viel Platz. Manchmal ist es nur eine Fahrradstraße, ein überbreiter, markierter Radverkehrsstreifen auf einer bestehenden Straße oder eine separierte Radverkehrstrasse. Mitunter wird aber eine Autospur geopfert, oder es muss eine Brücke für die Velos gebaut werden. Deshalb sei der Austausch mit den Bürgern am Ort stets extrem wichtig.

Aus heutiger Sicht mögen vier bis fünf Meter breite Radwege überdimensioniert wirken. Aber Verkehrsplaner denken in anderen Zeiträumen. Sie planen für die kommenden Jahrzehnte und berücksichtigen das Ende der fossilen Brennstoffe. „Zukünftig wird Automobil-Mobilität voraussichtlich deutlich teuer werden“, sagt Linder. Außerdem werde aufgrund des demographischen Wandels die Bevölkerung älter werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand werden auch diese Menschen vermehrt aufs Rad steigen. Und gerade die Älteren, aber auch Kinder, brauchen sichere, risikoarme Bewegungsräume.

Der Platz zum Radeln muss also größer ausfallen als heute. Denn neben der deutlich steigenden Zahl an Radfahrern wächst auch die Anzahl derer, die mit dem Elektrorad unterwegs sind. Darum werden die Geschwindigkeiten auf den Radwegen stark variieren. Das muss die Infrastruktur auffangen und ausgleichen.

„Wenn Radverkehr eine Zukunftsoption sein soll, muss er attraktiver gestaltet werden“, sagt Linder. Erst wenn die Infrastruktur ideal sei – sicher, schnell und komfortabel – steige eine relevante Zahl an Menschen aufs Velo oder wechselt vom Auto aufs Fahrrad.

Wie viele Rad-Lobbyisten und Mediziner sieht Linder den Radverkehr als ressortübergreifendes Thema. „Radfahren ist gesund, ressourcenschonend, klimafreundlich und überaus kostengünstig“, sagt er. Deshalb sollten Radverkehrsprojekte auch von Umwelt- und Gesundheitsministerien mitfinanziert werden.

Andrea Reidl wird in loser Folge über die Entwicklungen in dem Stadtteil berichten.