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Wie „Madam Bicycle“ fürs Radfahren in Uganda wirbt

 

© Amanda Ngabirano
© Amanda Ngabirano

Die Menschen in Kampala nennen sie „Madam Bicycle“. Das ist ebenso liebe- wie respektvoll gemeint. Denn für viele in der Stadt ist Amanda Ngabirano, Stadtplanerin und Dozentin der Makarere University, ein Vorbild. Sie will das Image des Radfahrens in Ugandas Hauptstadt verbessern und einen Bewusstseinswandel anschieben: weg vom Arme-Leute-Fahrzeug hin zum schnellen Verkehrsmittel der Zukunft.

Hat Afrika nicht schwerwiegendere Probleme als fehlende Radwege? Auf den ersten Blick bestimmt, aber beim genaueren Hinsehen zeigt sich: Das Thema Verkehr ist in Afrika elementar und es ist jetzt an der Zeit, die Basis für eine nachhaltige Mobilität zu schaffen.

Kampala boomt. Die Einwohnerzahl hat sich von 1992 bis 2008 auf 1,4 Millionen verdoppelt und sie wächst weiter. Prognosen der Stiftung Weltbevölkerung zufolge wird die Zahl der Bewohner Afrikas und Asiens in den kommenden Jahrzehnten weltweit am stärksten ansteigen. Bis zur Mitte des Jahrhunderts soll sie sich verdoppeln. Rund 80 Prozent der Weltbevölkerung soll dann in Asien und Afrika leben, überwiegend in den Städten. Und alle wollen mobil sein.

Das wird Probleme mit sich bringen. Obwohl der Anteil der Autos am Gesamtverkehr relativ niedrig ist, sind die Straßen bereits jetzt zu den Stoßzeiten völlig überlastet. Stundenlang warten die Menschen im Stau. „Dabei werden 70 Prozent der täglichen Wege zu Fuß oder per Rad unternommen“, sagt Amanda Ngabirano. Wie fast überall auf der Welt gilt auch in Kampala: Wer es sich leisten kann, steigt um aufs Auto. In der Stadt ist das Fahrrad das Verkehrsmittel der Unterschicht. Wer sich hier täglich in den Sattel schwingt, hat keine andere Wahl.

Um dem Verkehrskollaps etwas entgegenzusetzen, werben Amanda Ngabirano und ihre Mitstreiter seit Jahren für eine nachhaltige Mobilität.

Freunde wie Fremde lachen anfangs schallend, wenn sie das Radfahren propagiert. Sie lässt sie lachen. Ngabirano weiß: Das Radeln ist in Kampala selten ein Vergnügen. Die Straßen sind schlecht, der Verkehr ist chaotisch. Es gibt keine Radspuren, und das in Europa vielfach propagierte Fahren auf der Fahrbahn wird zwischen Lastwagen, Pkw und den sogenannten Boda Boda, den Moped-Taxen, zum Balanceakt.

Aber seit sie 13 Monate in den Niederlanden studiert hat, weiß Amanda Ngabirano auch, dass es anders geht. Dort stellte sie fest, dass die Wohnheimbewohner immer schneller an der Uni waren als sie. Ihre Kommilitonen fuhren Rad, sie selbst mit Bus und Bahn. Das ärgerte sie, und sie lernte Radfahren. Zwei Wochen lang. Dann traute sie sich auf die Straße und ist seitdem überzeugte Radfahrerin.

Radfahren ist schnell, günstig, gesund und vor allem nachhaltig, zählt sie die Vorteile auf und ergänzt: „optimal für Kampala“. Jetzt ist es ihre selbstgewählte Aufgabe, ihre Landsleute zu sensibilisieren. Dabei fungiert sie in erster Linie als Vorbild. Im Grunde ist sie der Mikael Colville-Andersen Ugandas. So wie der Kopenhagener dem Radfahren in den Städten mit seinem Blog ein sexy Image verliehen hat, macht Ngabirano Radfahren in Afrika salonfähig. Die Handtasche unter den Arm geklemmt, pedaliert sie mit ihren Studenten meist auf ruhigen Wegen regelmäßig durch die Stadt.

Bei den Ausfahrten oder auch auf ihrem täglichen Weg mit dem Rad zur Uni spricht sie mit den Menschen. Viele sind erstaunt, denn Kinder und Frauen fahren in der Stadt selten Fahrrad. „Es ist nicht verboten, es ist nur unüblich“, sagt Ngabirano. Ihr Ziel ist es, dass die 70 Prozent der Menschen, die noch zu Fuß gehen oder bereits Rad fahren, dessen Vorteile erkennen und selbst dann weiterhin selbstbewusst aufs Velo steigen, wenn sie sich ein Auto leisten können. „Wenn sie erst mal Autofahrer sind, ist es bedeutend schwieriger, sie zurück aufs Rad zu bringen“, sagt sie.

Damit leitet Ngabirano den Prozess ein, den Dänemark bereits lange vollzogen hat und der in Deutschland gerade im Gange ist: das Fahrrad als ernstzunehmendes Verkehrsmittel wahrzunehmen und es für viele Wege dem Auto vorzuziehen. Amanda Ngabirano geht kleine Schritte, Geld für große gibt es sowieso nicht. Mit verschiedenen Organisationen wie der First African Bicycle Information Organization, kurz Fabio, hat sie 2011 den ersten autofreien Tag in Kampala mitorganisiert. Seitdem findet die Veranstaltung jedes Jahr statt und wird immer größer. Mittlerweile ist das nationale Ministerium für Öffentliche Arbeiten und Transport direkt an der Organisation beteiligt.

Wer Ngabiranos Engagement übertrieben findet, sollte nach China blicken. Das einstige Fahrradland ist mittlerweile eine Autofahrernation mit massiven Verkehrsproblemen. Der China-Korrespondent der FAZ hat dazu hier einen interessanten Beitrag geschrieben. Demnach ist seit den 1980er Jahren die Zahl der Radfahrer massiv zurückgegangen, manchen Schätzungen zufolge um zwei Drittel. Die Zahl der Autofahrer stieg indes monatlich um 20.000. Die Neuzulassungen werden inzwischen per Lotterie verlost.

Die steigende Anzahl der Pkw führt nicht nur zu Staus, sondern auch zu einer enormen Luftverschmutzung, Einer Studie zufolge, über die kürzlich die New York Times berichtet hat, starben 1,2 Millionen Menschen seit 2010 an den Folgen des Smogs.

Ausreden wie schlechte Infrastruktur, die Topografie oder die rüde Fahrweise ihrer Landsleute lässt Ngabirano nicht gelten. Sie ist hartnäckig, wenn es darum geht, Menschen vom Radfahren zu überzeugen. Auf der Straße ebenso wie im Büro des Verkehrsministers. „Das Fahrrad wird als alternativer Verkehrsträger einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in den afrikanischen Ländern leisten“, sagt sie. Verkehrsplaner und Politiker fangen gerade an, seine Rolle zu erkennen.