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Wie wird ein Fahrrad zum „Testsieger“?

 

Fahrradtests sind immer wieder strittig. Im vergangenen Sommer schlug der Pedelec-Test der Stiftung Warentest mitsamt der Prüfmethoden in der Fahrradbranche hohe Wellen. Jetzt hat ExtraEnergy mit dem VCD-Lastenradprojekt einen Test zu Lastenrädern in der Zeitschrift Elektrobike veröffentlicht.

Noch ist der Markt an Lastenrädern eher eine Nische, aber Angebot und Nachfrage nehmen stetig zu. In Großstädten wie Berlin und Hamburg kutschieren Eltern ihre Kinder damit selbstverständlich zur Kita, und Kurierfahrer kurven damit zu den Kunden. Viele potenzielle Kunden lesen Tests zur Orientierung. Aber was verbirgt sich eigentlich hinter der Auszeichnung „Testsieger“?

Frage ich Freunde und Bekannte – allesamt Laien in Bezug auf Fahrräder – dann sind die Aussagen eindeutig. Baumelt eine Papierrosette mit dem Aufdruck „Testsieger“ am Lenker eines Lastenrads mit Motor, glauben sie, dieses Rad ist das Beste seiner Art im direkten Vergleich mit mindestens zehn Rädern. Sie vermuten hinter der Rosette umfangreiche Tests zur Sicherheit und Stabilität beim Lastentransport, Informationen zur Reichweite und Motorleistung sowie zum Fahrkomfort und ein Urteil über das Zusammenspiel von Bremsen, Schaltung, Rahmen im Langzeittest.

Das liefert so ein Test aber nicht zwangsläufig. Der unabhängige Verein ExtraEnergy prüft seit 1992 motorisierte Fahrräder. Hannes Neupert ist Pionier der Szene und hat die Prüfmethoden und die Bewertung für Pedelecs entwickelt. Während der Testfahrten ermittelt ExtraEnergy das beste Rad aus dem Pool der Räder, die gerade zur Verfügung stehen. Diese erhalten sie von den Herstellern, die für die Teilnahme eine Pauschale zahlen.  Dafür erfahren sie die Ergebnisse im Voraus und bekommen die Chance, Mängel nachzubessern.

ExtraEnergy bewertet allerdings nicht das komplette Fahrzeug. Der Verein misst nur die Werte, die in Bezug auf Motor und Reichweite interessant sind. Beim Lastenradtest sind das für die Zeitschrift Elektrobike die Reichweite des Akkus, die Durchschnittsgeschwindigkeit und wie effizient der Motor den Fahrer unterstützt. Außerdem wird der Wendekreis des Transporters berücksichtigt, ebenso die Frage, wie sich das Rad abstellen lässt.

Was für das Prüfsiegel nicht durchgeführt wird, ist ein simulierter Langzeittest auf einem Prüfstand, der die Qualität und das Zusammenspiel der kombinierten Komponenten aufzeigt. Ein Test etwa, der bei einem beladenen e-Lastenrad die Bremswirkung bewertet oder die Materialermüdung misst. Die Kunden erhalten also Auskunft über einen Teilaspekt.

Nicht mehr als eine Orientierung

Der aktuelle E-Lastenradtest umfasst sieben Modelle: vom Bäckerrad mit Korb am Lenker und auf dem Gepäckträger bis hin zum Schwerlastdreirad, das laut Hersteller 300 Kilogramm schultert. Der Test, wie er in der Elektrobike veröffentlicht ist, gibt potenziellen Käufern höchstens eine Orientierungshilfe. Er vermittelt eine Idee von der Vielzahl der E-Lastenradmodelle am Markt und über das, was mittlerweile mit den Rädern möglich ist. Er sagt nichts aus über das Fahren unter Last. Ausführlich will ExtraEnergy darüber in etwa zwei Wochen selbst noch online berichten.

Wer sich in der Szene auskennt, hat das gute Ergebnis von den vier Siegern erwartet. Riese und Müller, Radkutsche, Urban Arrow und Urban-E sind bekannte Hersteller, die für ihre hohen Qualitätsstandards bekannt sind.

Erstaunt hat das schlechte Abschneiden des KTM-E-Shoppers. Mit der vom Hersteller angegebenen Zulast von 50 Kilo war es für die Tester nicht mehr fahrbar. Das Lastenrad von Pedalpower versagte mit Last am Berg, und auch das Mifa-Rad kam mit einem lauten Motor, der am Berg versagte, in der Wertung schlecht weg.

Welches Rad in welcher Ausführung und mit welchem Motor und Akku schlussendlich als Kinderkutsche oder für den Arbeitsalltag als Baumpfleger am besten geeignet ist, muss jeder selbst herausfinden. Dazu gehören eine gute Beratung im Fachhandel und ausgiebige Testfahrten mit dem Rad der Wahl unter Last und auch am Berg.

Zur Info: Die Autorin ist Mitglied im VCD-Lastenrad-Beirat, dem auch Wasilis von Rauch und Hannes Neupert von ExtraEnergy angehören.