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Ich schraub‘ mir mein Lastenrad!

 

© N55 & Till Wolfer
© N55 & Till Wolfer

Ein Lastenrad zum Selberbauen? Derlei Ideen sind Fahrradherstellern eher fern. Dafür braucht es andere Interessengruppen. Etwa die Künstlergruppe N55. Sie ist seit Jahren auf der Suche nach zukunftsweisenden alternativen Transportmitteln der Zukunft. In Kooperation mit Till Wolfer hat das dänische Kunstkollektiv eines seiner Vorzeigebeispiele entwickelt, das xyz-Cargo, das es auch als E-Version gibt. Mit ihm hat N55 ein Alltagsprodukt entwickelt, das immer mehr Liebhaber in aller Welt findet. Auch in Hamburg, wo am vergangenen Wochenende sechs Männer während eines Workshops zwei Cargobikes gebaut haben.

Ein Satz Vierkantprofile, Schrauben, Muttern, Unterlegscheiben und Kunststoffstäbe liegen auf dem Tisch. Das soll ein Lastenrad werden? Auf den ersten Blick erinnert das Teile-Sammelsurium eher an ein Ikea-Kellerregal. So verkehrt ist die Assoziation gar nicht. Ähnlich wie die Schweden wollten die Künstler von N55 den Bauherren etwas anbieten, das jeder ohne sonderlich viel handwerkliches Geschick aufbauen kann – statt Billy-Regal ein Lastenrad.

Hinter dem xyz-Cargo verbirgt sich ein Lastenrad aus viereckigen Aluminiumprofilen. Schweißen fanden die Künstler zu schwierig und zu anspruchsvoll für Hobbyhandwerker. Deshalb sollte ihr Lastenrad zusammengeschraubt werden. Die einzigen Werkzeuge, die man für ihr xyz-Cargo braucht, sind eine Bandsäge und eine Standbohrmaschine.

Aber selbst wenn nur gesägt, geschraubt, gebohrt und gehämmert wird: Völlig selbsterklärend ist das Rad nicht. Ohne Till Wolfers Hilfe hätten die Männer es wahrscheinlich nicht geschafft, die Räder in drei Tagen zusammenzubauen. Wolfer gehört seit viereinhalb Jahren zu N55 und leitet in Deutschland in Kooperation mit den Dänen die Workshops.

„Das gehört anders herum“, sagt Wolfer immer wieder an diesem Wochenende. Jetzt zieht er ein fingerlanges Metallstück mit zwei Schrauben aus dem Aluminiumprofil und steckt es von der anderen Seite wieder in die Bohrlöcher. Die beiden Lastenradbauer grinsen verlegen. Der Fehler war nicht schwerwiegend; es wäre eher lästig, wenn die beiden Rohre anschließend nicht passten. Schließlich soll an der Stelle später der Lenker sitzen.

© N55 & Till Wolfer
© N55 & Till Wolfer

 

© Reidl
© Reidl

Wolfer wacht gut über seine Teilnehmer. Bislang gibt es keine Open-Source-Anleitung für das Cargobike – damit wäre es einfacher. Die Nachfrage ist allerdings groß, und die Künstler von N55 wollen die Instruktionen in absehbarer Zeit ebenso ins Netz stellen wie die Anleitung zu den Liegerädern mit einem Sitz oder zwei Sitzen. Bis es soweit ist, gibt es das Cargobike nur im Workshop zum Selberbauen oder bei N55.

Unabhängig davon ob man das Rad im Workshop baut oder fertig bestellt, bleibt der Preis gleich. Das Einspurfahrzeug kostet 1.300 Euro und das Dreirad 1.600 Euro. Die E-Version 1000 Euro mehr. Für ein Cargobike ist das immer noch günstig. N55 geht es weniger um den Profit als um die Idee: ein Produkt lokal zu bauen und möglichst bedarfsorientiert anzufertigen.

Allerdings kaufen viele die Katze im Sack. Eine Probefahrt haben die wenigsten gemacht, bevor sie sich zu dem Workshop anmeldeten. Wie Rudi Steiner. Er wusste auch nicht, wie sich das xyz-Cargo fährt oder lenkt. Passionierte Radfahrer würden so etwas nie tun.

Ein bisschen seltsam war es am Sonntagabend dann doch für den ehemaligen Kurierfahrer. „Ich bin bislang immer nur einspurige Räder gefahren“, sagt Steiner. Dass er sich mit dem Dreirad nicht so in die Kurven legen kann wie bisher, findet er etwas gewöhnungsbedürftig. Aber ansonsten ist er mit dem Rad zufrieden. Es ist funktional, sehr kantig – und hat einen sehr speziellen Charme.

© N55 & Till Wolfer
© N55 & Till Wolfer

© N55 & Till Wolfer
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