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Elterntraining statt Elterntaxi

 

„Kinder sind nicht verkehrsgerecht und werden es nie sein“: Klare Worte von Sabine Kluth, der stellvertretenden Bundesvorsitzenden des ADFC, beim ADFC-Kongress „Radfahren für alle – auch für Kinder“ in Dresden. Was daraus folgt, leuchtet eigentlich jedem ein: Autofahrer müssen auf Kinder achten und Eltern ihren Nachwuchs fit machen für den Verkehr. Insbesondere für den Schulweg. Dass dies nicht der Fall ist, kann man jeden Tag zu Schulbeginn vor Schulen beobachten.

Das Elterntaxi ist vielerorts zum Alltag geworden. Morgens um kurz vor acht chauffieren Mütter und Väter ihre Kinder mit dem Auto bis zur Eingangstür. Damit verhindern sie nicht nur eine eigenständige Mobilität ihrer Kinder, sondern gefährden auch die anderen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad kommen. Die kommen nicht vorbei, weil Autos den Gehweg oder die Überwege blockieren oder ihnen die freie Sicht auf die Fahrbahn nehmen.

Gründe für die Wahl des Elterntaxis gibt es viele. Manchmal passt es einfach perfekt in den Tagesablauf: Die Eltern fahren zur Arbeit und lassen das Kind an der Schule heraus. Andere trauen ihrem Kind nicht zu, den Weg allein zurückzulegen, oder sie misstrauen den übrigen Verkehrsteilnehmern.

Ein Cartoon von Michael Ammann, den Kluth während ihres Vortrags auf dem ADFC-Kongress zeigte, illustriert das gut. „Was, du willst zu Fuß in die Schule?! Denk doch an die vielen Autos, mit denen die Kinder in die Schule gebracht werden, das ist viel zu gefährlich … Ich bring dich mit dem Auto hin“, sagt in der Zeichnung eine Mutter, mahnend den Zeigefinger schwingend, zu ihrem Kind.

Die Aussage ist keineswegs eine überspitzte Einzelmeinung. Immer häufiger werden an Schulen oder auf Schulwegen Banner und Schilder mit dem Spruch „Achtung Kinder, hier fahren eure Eltern!“ aufgehängt. Eine Grundschule in Wattenscheid hat schon 2009 eine Aktion unter diesem Titel veranstaltet, um auf das Problem aufmerksam zu machen, im vergangenen Jahr eine Grundschule in Düsseldorf.

Gemeinsame Radfahrkurse

Sabine Kluth plädiert für eine Bannmeile für Autos um Schulen herum, in einem Radius von mindestens 250 Metern. Dann würden die Kinder wenigstens einen kurzen Schulweg zurücklegen und das Ankommen werde für alle Kinder sicherer, sagt sie. Außerdem vermisst die ADFC-Expertin eine fehlertolerante Infrastruktur. Darunter versteht sie beispielsweise ausreichend Platz und eine gute Übersicht an Knotenpunkten, damit Kinder die gesamte Straße überblicken können. Platz sei in Städten zwar Mangelware. Gerade an Kreuzungen könne die freie Sicht aber durchaus verbessert werden. Oft reiche es schon, die Anzahl der parkenden Autos am Fahrbahnrand zu verringern.

Durchgängige Radwege – oder Kinderwege, wie Kluth sie nennt – sind hier besonders wichtig. Sie sind insbesondere für Kinder auf weiterführenden Schulen relevant. Die Älteren brauchen eine klare und sichere Infrastruktur. Schließlich werden sie im Gegensatz zu Grundschülern selten von ihren Eltern begleitet und sollen auch nicht mehr auf dem Gehweg fahren.

Um die Kinder fit fürs Radfahren zu machen, hat Kluth eine ungewöhnliche Idee: Radfahrkurse für Eltern und Kinder. „In der Schweiz gibt es sie bereits“, sagt sie. In dem gemeinsamen Kurs frischen die Erwachsenen ihr Wissen auf, und die Kinder lernen die Fertigkeiten fürs Radfahren auf dem Weg zur Schule. Der Vorteil: Kind und Eltern sind auf einem einheitlichen Wissensstand. Die Eltern sehen in der Gruppe, was sie von ihrem Kind erwarten können und wo sie noch üben müssen. Das kann hilfreicher sein als die Fahrradprüfung in der Grundschule.

Einige Redner auf dem Kongress warnten gar vor der Fahrradprüfung in den Schulen. Sie suggeriere Eltern, dass ihre Kinder jetzt fit für den Verkehr seien. Das sei aber mitnichten der Fall. Wer nicht mit seinen Eltern trainiere, sei vielleicht nur fit für das kleine Stück Weg, das im Rahmen des Unterrichts geübt wurde.

Die Eltern sind also in der Pflicht. Sie müssen mit ihrem Nachwuchs üben.