Lesezeichen
 

Medienkunst auf allen Kanälen

© RML CineChamber

Viel hilft nicht immer viel.

Die transmediale-Eröffnung im HKW fühlte sich an wie ein Uni-Rundgang. Der Foyerbereich erinnerte an die unordentlichen Arbeitsräume in Medienfakultäten. Vielleicht lag es an den vielen Besuchern. Aber auch die Performances hätten spannender sein können.

Beeindruckend ist hingegen die geradezu rückschrittliche Ausstellung in der Studiogalerie. Dort präsentiert LaborBerlin den Filmzyklus The Secrets Trilogy von Reynold Reynolds, bestehend aus Six Easy Pieces (2010), Secret Machine (2009) und Secret Life (2008). Das Besondere: Der Filmemacher montiert seine Videoarbeiten aus 16-Milimeter-Material und Stills, was ihnen eine eigentümliche Qualität verleiht. Und tatsächlich geht es in den surrealen Szenarien immer auch um die Wahrnehmung von Zeit und Raum, ihre medientechnischen Bedingungen und künstlerischen Ausdrucksformen. Reynolds verweist etwa auf Boticelli, Duchamp oder Muybridge. Durch die räumliche Gegenüberstellung wirken die Mehrfachprojektionen noch eindrücklicher. Aber mit dem großen Thema „Liveness“ hat das wenig zu tun.

Echtzeiterlebnisse bietet hingegen die club transmediale, zum Beispiel mit der CineChamber im HAU. Zehn Bildschirme, Boden-Vibrations-Einheiten und ein leistungsfähigem Soundsystem machen die Darbietungen zum synästhetischen Erlebnis. Und heute Abend bespielen die Box auch noch die Elektro-Klangkünstler von Signal. Carsten Nicolai, Olaf Bender und Frank Bretschneider machen nicht einfach nur elektronische Musik, sondern Kunst – auf einer soliden wissenschaftlichen Basis.

Aberwitzig hört sich auch die performative Ausstellung Regenwald 2011 im West Germany an: Es handelt sich dabei um eine Re-Interpretation von Rainforest, dass der Cage-Pianist David Tudor in den 70er Jahren komponiert hatte. Jedenfalls kommen dabei unter anderem Körperschallwandler zum Einsatz, die auf resonante Objekte im Raum sowie die Architektur selber reagieren. Die Zuschauer beleben besagten Regenwald, indem sie zwischen Künstlern und Objekten umherlaufen. Hier macht Getümmel wenigstens Sinn!

18 Uhr | 02. Feburar 2011 | HAU2 & West Germany | Hallesches Ufer 3 & Skalitzer Straße 133 | Berlin Kreuzberg

 

Offen für Alles

Die transmediale.11. widmet sich der livegeschalteten Gesellschaft und ihrem Echtzeitlebensraum.

Dieses Jahr dreht sich alles um RESPONSE:ABILITY. Das Festival für Kunst und Digitale Kultur fragt, was der ständige Ereignisstrom als Grundlage selbstverantwortlichen Handelns für uns und das Internet der Zukunft bedeutet. Aber das hört sich trockener an, als es ist. Wie immer bietet die transmediale ein interessantes Programm aus Kunst, Performances und natürlich Medientheorie für jeden Geschmack:

Pünktlich zum 100. Geburtstag des Theorie-Gottes Marshall McLuhan holt die transmediale dessen kaum bekanntes Manifest COUNTERBLAST aus der medientheoretischen Versenkung. Dann präsentiert die Marshall McLuhan Lecture 2011 den radikalen „Open Everything“ Befürworter Mark Surman, den Geschäftsführer der Mozilla Foundation. Und schließlich fragen in der Konferenz BODY:RESPONSE – Biomediale Politik im Zeitalter der digitalen Liveness namhafte Experten, wie sich eigentlich biologisierte Medien und hybride Raumphänomene auf unsere physische Beziehung zur Technologie auswirken.

An der Schnittstelle zwischen Realwelt und Mediensphäre operieren auch die Performances zum Schwerpunkt LIVE:RESPONSE. Beispielsweise ver- und entkoppelt Herman Kolgen in der Live-Videoprojektion DUST Farbpigmente zur hypnotischen Konfiguration. (Die Arbeit ist inspiriert von Man Rays Élevage de poussière, einer Aufnahme von Marcel Duchamps Großem Glas.)

Das Film- und Videoprogramm wiederum illustriert, wie Montagetechnik und Internet die Erfahrung einer beschleunigten Wahrnehmung unterstützt haben. Und zu guter Letzt machen Installationen in der HacKaWay Zone und diverse Labs von The Open Zone im HKW die Voraussetzungen einer „haktivistischen“ Kunstpraxis im Speziellen und einer Open Culture im Allgemeinen erfahrbar. Die Künstler und Medienaktivisten arbeiten für die Dauer des Festivals vor Ort. Dazu kommt eine ganze Reihe ziemlich guter Satellitenveranstaltungen.

Jedenfalls eröffnet die transmediale heute Abend mit einer großen Zeremonie auf allen Ebenen und mit Performances wie den Fingerabdruck-Experimenten von Paul Vanouse. Als besonderes Highlight bringt der Medienphilosoph Derrick de Kerckhove übrigens seinen digitalen Sohn Angel_F mit. Das Spyware-Wesen hinterfragt Marshall McLuhans Idee, dass wir uns in unserer Technik erweitern … OK, das Ganze ist doch ein bisschen nerdy.

18.30 Uhr | 01. Februar 2011 | Haus der Kulturen der Welt | John-Foster-Dulles-Allee 10 | Berlin Tiergarten

 

Der Islam heute

Islamwissenschaftler Tariq Ramadan © Foto: Promo/HKW

Am Haus der Kulturen der Welt diskutieren Experten über Deutschlands Muslime und Europäischen Islam.

Gleich zwei Debatten sollen den Zuhörern eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Islam ermöglichen – insbesondere mit seinen zeitgenössischen europäischen Formen: Die Muslimisierung des Anderen betrachten der Politiker Cem Özdemir, die Journalistin Hilal Sezgin, die türkische Schriftstellerin Sema Kaygusuz und Sawsan Chebli vom Berliner Senat. Sie beziehen sich auf aktuelle gesellschaftspolitische Debatten über „den“ Islam. Anschließend bringt der Islamwissenschaftler Tariq Ramadan die Zuhörer auf den aktuellen Stand des Islam in Europa und diskutiert mit dem Historiker Dan Diner und der Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer seine Thesen.

19 Uhr | 21. Januar 2011 | Haus der Kulturen der Welt | John-Foster-Dulles-Allee 10 | Berlin Tiergarten

 

Auf 150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen

© Tsujii Seiichiro

Das Haus der Kulturen der Welt hat illustre Gäste aus Japan.

Am HKW geht es exotisch zu. Denn das Komparu-Noh-Ensemble zeigt traditionelles japanisches Theater und das heißt: japanische Mythologie und Heldensagen in beeindruckenden Kostümen und stilisierter Tanzsprache.

Heute bietet das Ensemble Funa Benkei (Benkei auf dem Schiff) dar. Die Geschichte handelt von der Tragödie eines Liebespaars und einer Seeschlacht mit einem Geisterheer. Leider ist die Vorstellung nahezu ausverkauft. Für das morgige Stück Aoi No Ue (Lady Aoi) gibt es hingegen noch Karten. Es basiert auf einem Roman der Hofdame Murasaki Shikibu.

20 Uhr | 19. & 20. Januar 2011 | HKW | John-Foster-Dulles-Allee 10 | Berlin Tiergarten

 

Tragik und Vergänglichkeit

Sergiu Celibidache © Archiv Berliner Philharmoniker
Die Philharmonie führt Cineasten und Klassikliebhaber mit einer neuen Filmreihe zusammen.

Mit Musik bewegt Bilder beginnt an der Philharmonie eine monatliche Filmreihe. Ob Dokumentation oder Spielfilm, in den Beiträgen geht es natürlich um Musik. Aber hier wird nicht bloß zugeschaut. Nein, zu jeder Vorführung gibt es eine Einführung, einen Kommentar und eine Diskussion. Passend zum aktuellen Schwerpunkt der Berliner Philharmoniker eröffnet die Reihe mit der Mahler-Hommage Mahlers Sechste – Das Lied von der Vergänglichkeit (1996). Und inwiefern seine filmische Fantasie eine „Anatomie der Vergänglichkeit“ darstellt, erklärt danach der Regisseur Adrian Marthaler.

18 Uhr | 19. Dezember 2011 | Hermann-Wolff-Saal der Philharmonie |Herbert-von-Karajan-Straße 1 | Berlin Tiergarten

 

Das ästhetische Wiesel und andere Grotesken

© Stefanie Loos

Das Lunchkonzert in der Philharmonie fällt heute herrlich absurd aus.

Vanessa Barkowski singt Christian Morgensterns Galgenlieder vertont von der russischen Komponistin Sofia Gubaidulina. Dabei begleiten die Mezzosopranistin Kontrabass und Schlagzeug.

13 Uhr | 4. Januar 2011 | Foyer der Philharmonie | Herbert-von-Karajan-Straße 1 | Berlin Tiergarten

 

Die Musik zum Wetter

© Matthias Heyde

In der Philharmonie gibt es russische Werke und russische Interpreten.

Zumindest für alle nicht-erkälteten Berliner ein möglicher Zeitvertreib: Valery Gergiev dirigiert die Berliner Philharmoniker durch Rodion Schtschedrin, Sergej Rachmaninow und Modest Mussorgsky. Am Klavier premiert der aus Irkutsk stammende Denis Matsuev. Die Einführungsveranstaltung beginnt eine Stunde früher.

20 Uhr | 22. Dezember 2010 | Philharmonie | Herbert-von-Karajan-Straße 1 | Berlin Tiergarten

 

Die perfekte Einkaufspause

Das Lunchkonzert in der Philharmonie gibt heute das Trio Image.

Sie spielen jeweils ein Klaviertrio von Joseph Haydn und Dmitri Schostakowitsch für Violine, Violoncello und Klavier.

13 Uhr | 21. Dezember 2010 | Foyer der Philharmonie | Herbert-von-Karajan-Straße 1 | Berlin Tiergarten

 

Première Brasil in Berlin

Trailer – Chico Xavier O Filme from União Espírita Mineira on Vimeo.

Das Festival do Rio präsentiert die Perlen des brasilianischen Films.

Insgesamt 17 Produktionen laufen in den kommenden Tagen und am Wochenende im Haus der Kulturen der Welt. Die Filmbeiträge zeigen Brasilien mit seinen vielen Facetten und geben Einblicke in die lokale Filmszene. Im Anschluss kann das Publikum mit der Festivalleiterin Ilda Santiago sowie den Regisseuren diskutieren.

Eröffnungsfilm des Festivals ist der diesjährige Überraschungserfolg in den brasilianischen Kinos: Chico Xavier von Daniel Filh,. Der Spielfilm handelt von Francisco Cândido Xavier, der es über die Grenzen von Brasilien hinaus als Medium zu Starruhm gebracht hatte.

Besonders interessant ist der Architektur-Schwerpunkt „Gebaute Utopie“. Am Donnerstag zum Beispiel schildert Fabiano Maciel in seinem Dokumentarfilm Oscar Niemeyer, a vida é um sopro (Oscar Niemeyer, Das Leben ist ein Hauch) das Leben des brasilianischen Stararchitekten. Am Samstag findet das Panel Architektur und Moderne in Brasilien statt.

19.30 Uhr | 8. Dezember 2010 | Haus der Kulturen der Welt | John-Foster-Dulles-Allee 10 | Berlin Tiergarten

 

Electronica Surprise: BLNRB-NRBLN

BLNRB | Berlin Show | HKW | 01 •12• 2010 from NRBLN_BLNRB on Vimeo.

Das BERLIN-NAIROBI-PROJEKT macht clubtaugliche Weltmusik.

Das deutsch-kenianische Projekt BLNRB-NRBLN hat die Clubgrößen der beiden Hauptstädte zusammengebracht. Über mehrere Monate haben Jahcoozi, Modeselektor und Gebrüder Teichmann gemeinsam mit ostafrikanischen Acts wie Just A Band, Abbas Kubaff, Nazizi gearbeitet. In Kenia wohnten, feierten und produzierten sie unter einem Dach. Das Ergebnis erscheint Anfang nächsten Jahres als Album. Jetzt kommt erst einmal die EP heraus.

Heute Abend eröffnen die Berliner Acts mit 21 Musikern aus Kenia das Festival Worldtronics 2010 am Haus der Kulturen der Welt.

Worldtronics.Electronica Surprise sucht neue Perspektiven für elektronische Musik – jenseits von „HipHop-Bastarden und Indie-Rock-Mash-ups“. Das HKW präsentiert internationale Musiker, die zukunftsweisende Impulse setzen. Die Impulse kommen diesmal neben Nairobi aus Barcelona, Russland und Mexiko – und lesen sich erst einmal volkstümlich: Barcelona reaktiviert am Donnerstag die katalanische Rumba. Russland kombiniert am Freitag Volksweisen mit Sowjet-Pop und Art Rock. Und Mexiko rückt am Samstag gleich mit Trachtenkapelle und Alleinunterhalter an. Aber das hört sich schlimmer an, als es ist. Schließlich steht im Vordergrund elektronische Musik und die Kuratoren laden die Besten der Besten aus den jeweiligen Szenen ein. Die Konzertreihe ergänzt ein Filmprogramm.

Das Konzept hat sich bewährt. Worldtronics findet bereits zum dritten Mal statt.

Allerdings, so fürchtet Spex könnte dies das letzte Mal sein: Das Auswärtige Amt will die Regelförderung des Haus der Kulturen der Welt um 20% kürzen. Entsprechend ärgert sich die Frankfurter Rundschau über den Provinzialismus von Westerwelles Referat. Die Sueddeutsche Zeitung erklärt Westerwelle zum Feind der Kultur. Und auch der Tagesspiegel kritisiert, dass Westerwelle die Budgetkürzungen am AA nahezu komplett auf die auswärtige Kulturpolitik umlegt. Dabei gelingt gerade den Leitern der Goethe Institute der Dialog mit anderen Kulturen, wie BLNRB-NRBLN zeigt. Das deutsch-kenianische Projekt haben nämlich das Goethe Institut in Nairobi und die Gebrüder Teichmann initiiert.

Wer kein Freund elektronischer Musik ist, sollte zumindest aus Überzeugung zu BLNRB-NRBLN und für Weltoffenheit demonstrieren.

20 Uhr | 1. Dezember 2010 | Haus der Kulturen der Welt | John-Foster-Dulles-Allee 10 | Berlin Tiergarten