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Von wegen Umnutzung und so

Neuland © Arno Declair

Die Produktion Neuland begibt sich auf Spurensuche im Berliner Stadtraum.

Der Regisseur Frank Abt entführt das Publikum mit seiner „theatralen Forschungsreise“ in die ehemaligen Werkstätten des Deutschen Theaters. Wie so vieles in Berlin stehen die derzeit nämlich leer.

Neuland handelt vom Stellenwert der Erinnerungen, die zu all den Brachen und Leerständen der Stadt gehören. Abt hat dafür mit verschiedenen Leuten gesprochen, deren Lebensgeschichte mit den Orten verquickt ist. Er wollte erfahren, wie und ob man Erinnerungen bewahren kann. Oder ob man besser gleich neue Räume erschließen, sprich: Neuland betreten soll.

Weil die Umnutzungsdiskussion in Berlin immer zieht und die Location wirklich sehenswert ist, bleiben Interessierten nur zwei Optionen: Der Kampf um Restkarten an der Abendkasse oder ein vorausschauender Kauf für die nächsten Termine.

20.30 Uhr | 09. & 10. April 2011 | Ehemalige Theaterwerkstätten Chausseestraße  | Eingang Zinnowitzer Straße | Berlin Mitte

 

Tschüss und Hallo in der Deutschen Oper

© Julia Winter

Mit der Performance Kosmoschaoskosmos erobert die Deutsche Oper profanen Raum und nimmt Abschied vom kulturellen Harms-Erbe.

Mit Kosmoschaoskosmos endet die Kosmos-Veranstaltungsreihe, bei der Sänger, Musiker und Mitarbeiter im Haus experimentelle Opern-Halbwelten gestaltetet haben. Das Team um den Bühnenbildner Bernd Damovsky tobt sich nun ein letztes Mal in der ehemaligen Tischlerei aus. In einer Art Langzeitbelichtung inszeniert es die Werkstatt als Zwischenraum, in dem Charaktere, Bilder und Musik vergangener Aufführungen herumgeistern. Zu sehen gibt es Kulissen, Requisiten und musikalische Zitate aller szenischen Premieren unter der scheidenden Intendantin Kirsten Harms.

Die Performance symbolisiert sowohl Abschied und Austreibung als auch Neuanfang, heißt es in der Ankündigung. Während die Tischlerwerkstatt ab sofort als Theaterraum dient, kommt Neu-Intendant Dietmar Schwarz erst 2012.

Egal, klingt jedenfalls nach einer spannenden Austreibung!

21 Uhr | 08. April 2011 | Tischlerei der Deutschen Oper Berlin | Bismarckstraße 35 | Berlin Charlottenburg

 

Drei Generationen Schrecken

Über Leben © Arno Declair

Am DT feiert die Triologie Über Leben von Judith Herzberg Premiere.

Der Regisseur Stephan Kimmig inszeniert Herzbergs dreiteiliges Epos um eine großbürgerliche jüdische Familie.

Über Leben erzählt von denjenigen, die die Konzentrationslager und den Krieg überlebt haben, aber genauso von ihren Kindern und Enkeln. Obwohl jeder ein mehr oder weniger erfülltes Leben führt, überschatten die Erinnerung an den Holocaust den normalen Familienwahnsinn mit seinen Lieben, Intrigen, Todesfällen und Geburten. Ein latentes Trauma begleitet die Großfamilie durch den Alltag, oder eher: ein Unglück im Glück.

Über Leben begleitet die Familienmitglieder ausschnitthaft durch ein Vierteljahrhundert, in dem sie sich finden und trennen, gemeinsam feiern und trauern. Kimmig interessieren daran vor allem die Leerstellen. »Dauernd geht es darum, wer nicht da ist, wer noch kommt, wer fehlt …« erklärt der Regisseur im Interview. Klingt nach einer spannenden Inszenierung.

19 Uhr | 08. & 09. April 2011 | Deutsches Theater | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte

 

Der bessere Kriegsdiskurs?

Promo © mawil.net

Am Gorki stellen sich Theater- und Comicmacher die Frage: Inwiefern kann man Kriegsgewalt auf der Bühne oder im Comic darstellen?

Eine Woche reflektiert das Festival Reality Kills, inwieweit sich Theater und Comic als Forum für einen angemessenen Kriegsdiskurs eignen. Die These: Gerade weil Comic und Theater nicht vorgeben ein Abbild der Wirklichkeit zu sein, kämen sie der subjektiven Realität näher als die Berichterstattung in Print- und Fernsehmedien. Sie verfügten über künstlerische Mittel, um das Grauen in Worte und Gefühle in Bilder zu packen.

Und so proben und diskutieren Comic-Zeichner und Autoren gemeinsam mit Regisseuren, Bühnen- und Kostümbildnern, Schauspielerm und Musikern. Sie wollen neue Möglichkeiten des interdisziplinären Austausches finden und vor allem präsentieren. Tatsächlich liest sich das Festivalprogramm bunt bis wild.

Am Sonntag eröffnet das Festival mit der Uraufführung von Alans Krieg. Die Erinnerung des GI Alan Cope. Die Inszenierung von Sascha Hargesheimer basiert auf dem Comic Alans Krieg (2010) von Emmanuel Guibert. Darin zeichnet Guibert die Kriegserfahrungen des US-Soldaten Alan Cope nach, der 1945 mit gerade einmal 20 Jahren in Le Havre landete.

20.15 Uhr | 20. März 2011 | Gorki Studio | Hinter dem Gießhaus 2 | Berlin Mitte

 

Das Rechte aus unrechten Gründen

© Arno Declair

Andreas Kriegenburg inszeniert Judith (1841) von Friedrich Hebbel.

Im Gegensatz zur biblischen Figur hat Hebbel seine Judith komplexer gestaltet. Zwar rettet auch sie das israelische Volk, indem sie den assyrischen Tyrannen Holofernes enthauptet. Hier aber quälen die nach außen gottesfürchtige Befreierin Selbstzweifel. Objektiv betrachtet handelte Judith nämlich nicht alleine im Auftrag Gottes. Vielmehr begehrte sie Holofernes. Als der sie vergewaltigt, stellt Judith mit seiner Ermordung auch ihre Würde wieder her.

Mit Karten für die Premiere sieht es zwar schlecht aus, aber bei den nachfolgenden Termine gibt es noch Kontingente.

20 Uhr | 18. 19. & 21 März 2011 | DT Kammerspiele | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte

 

Liebe um jeden Preis

GELDIGELD / DIE KAMELIENDAME from Volksbühne Berlin on Vimeo.

Sophie Rois spielt Die Kameliendame an der Volksbühne.

Die Schauspielerin Sophie Rois hat sich einmal mehr eine faszinierende Rolle gesucht. Das Drama um die Kurtisane Marguerite Gautier hat sie der Volksbühne selbst vorgeschlagen, gemeinsam mit dem Regisseur Clemens Schönborn. Die Kameliendame beruht auf dem gleichnamigen Roman (1848) von Alexandre Dumas dem Jüngeren, der auch die Theaterfassung (1952) entwickelte. Schönborn bedient sich für die Inszenierung außerdem der Musik aus Giuseppe Verdis Oper La Traviata (1853). Auch die greift die Geschichte der Kameliendame auf.

Das passiert: Die Kurtisane Marguerite Gautier führt ein selbstbestimmtes Leben in dekadentem Luxus. Sie allein entscheidet, wem sie die Gunst ihrer Zuneigung erweist. Ihre Gefühle kommen die Liebhaber natürlich sehr teuer zu stehen. Doch auch die Kameliendame ist schließlich bereit, ihre materielle Sicherheit für die Liebe aufzugeben. Am Ende scheitert sie trotzdem an den Konventionen der Gesellschaft.

Rois sagt, dass sie an dem Stoff das Unwiederbringliche reize, der verlorene „Glanz des Geldes in der Frühzeit des Kapitalismus“. Man darf also gespannt sein, wie sie die kompromisslose Haltung der Kameliendame verkörpert. Zur Einstimmung auf die Premiere hier noch einige Begegnungen der ZEIT-Redakteurin Katja Nicodemos mit der Schauspielerin.

19.30 Uhr | 16. März 2011 | Volksbühne | Linienstraße 227 | Berlin Mitte

 

Gadhafi als Puppenspiel

© Dorit Agater

Der Puppenthriller King of the Kings arbeitet sich an Muammar al-Gadhafi ab.

Die Puppenspielerinnen Anna Menzel und Ivana Sajevic aka. lovefuckers interessieren sich ausschließlich für abgründige Themen. Jetzt eröffnen sie mit ihrem Puppenpolitthriller Kings of the Kings das Theater- und Performancefestival Freischwimmer. Das macht ab heute nämlich Station in den Sophiensælen. Angeblich wollten sie über Gadhafi schon ein Puppenspiel machen, bevor der Konflikt in Libyen ausbrach. Das Interesse wird nun um so größer sein.

19.30 Uhr | 10.-12. März 2011 | Sophiensaele | Sophienstraße 18 | Berlin Mitte

 

Theater auf dem Rücksitz

© Heiko Schäfer

Die Schaubühne verlagert mit Confessions die Bühne auf den Parkplatz.

Wer kennt sie nicht, diese Momente, in denen man auf engstem Raum und doch ohne Augenkontakt Dinge preisgibt, von den man dachte, sie niemals über die Lippen zu bringen. Das Performancestück Confessions handelt von intimen Bekenntnissen auf dem Rücksitz.

Sieben Autos hat Jan-Christoph Gockel in der Privatstraße vor der Schaubühne für das Autorentheaterfestival F.I.N.D geparkt. Die Zuschauer wandern von Rücksitz zu Rücksitz und treffen dort auf Schauspieler des Ensembles, die Stücke junger Autoren aufführen. In diesem Fall heißt das, dass sie beichten und bekennen. Denn Confessions hinterfragt unseren Impuls zur Selbstpreisgabe und die Lust am Exhibitionismus.

19, 20.30 & 22 Uhr | 10.-13. März 2011Schaubühne | Kurfürstendamm 153 | Berlin Wilmersdorf

 

Pierrot ab 18

© Marius Roth

Bruce LaBruce inszeniert die Oper Pierrot Lunaire am HAU.

Der Österreicher Arnold Schönberg komponierte 1911 sein atonales Melodram für eine weibliche Sprechstimme und fünf Musiker, basierend auf dem gleichnamigen Gedichtzyklus des Belgiers Albert Giraud über die Figur des tragischen Clowns.

Mit Bruce LaBruce hat sich nun eine Ikone der Schwulenkultur an das Musiktheaterstück gewagt. Weil die Pierrot-Version des kanadischen Regisseurs und Fotografen so wüst ausfiel, wurde die Inszenierung erst für Zuschauer ab 18 Jahren freigegeben.

Bruce macht aus dem Pierrot ein Mädchen, das sich als Junge ausgibt und ein anderes Mädchen verführt. Sie ahnt nichts von dem Betrug, bis der Vater ihn enthüllt und ihr den Umgang verbietet. Also begeht der „Junge“ einen Mord, um dem Vater der Geliebten seine Männlichkeit in Form eines Geschlechtsteils vor die Füße zu werfen

Die Premiere fand bereits am Freitag statt und die vermeintlich provokante, weil freizügige Inszenierung konnte zumindest das rbb Kulturradio nicht überzeugen. Der Kritik zufolge sei die Darstellerin Susanne Sachsse den Anforderungen der Rolle nicht gewachsen. Und Labruces „Bilder aus dem Klischeearsenal frohgemuter Halbbildung“ zeugten vor allem von Piefigkeit. Harte Worte für eine lange erwartete Aufführung.

19.30 Uhr | 08.-10. März 2011 | HAU 1 | Stresemannstraße 29 | Berlin Kreuzberg

 

Junges Autorentheater an der Schaubühne

Zeit © Foto: Marie-Thérèse Fortin

Die Schaubühne veranstaltet das Festival Internationale Neue Dramatik (F.I.N.D.) 2011.

Zehn Tage lang präsentieren auf dem internationalen Autorentheaterfestival Theatermacher aus Kanada, Russland, Frankreich, Spanien, Israel und Finnland neue Inszenierungen. Außerdem gibt es einen Workshop, szenische Lesungen und ein skurriles Konzert. Einige der 23 Produktionen klingen ganz spannend, aber viele handeln mal wieder von den üblichen Helden/Verlierern des Alltags.

Erstmal eröffnet der Haus-Regisseur Wajdi Mouwadi das Festival mit der Uraufführung von Zeit (2011). Er inszeniert das Stück mit dem kanadischen Théâtre du Trident.

In Zeit versammeln sich drei Geschwister am Sterbebett ihres Vaters in der Heimatstadt Fermont, die der Winter und eine Rattenplage im Griff haben. Mit den Geschwistern treffen dabei drei verschiedene Konzepte von Zeit aufeinander: die zyklische Zeit der Antike, der Zeitverlauf des Okzidents sowie eine messianische Vorstellung von Zeit, die mit dem Ende die Erlösung bringt.

20.30 Uhr | 3. & 5. März 2011 | Schaubühne | Kurfürstendamm 153 | Berlin Wilmersdorf