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Wir nennen es Arbeit

 

Neues Magazin: Wir nennen es "Arbeit"
Das Team hinter Arbeit: Juliane Frisse, Maria Exner (Chefredaktion), Wlada Kolosowa, Leonie Seifert (verantwortlich) und Luisa Jacobs (v.l.n.r.)

Mitten in unserem Newsroom steht eine Pinnwand, an der sich jeden Morgen Kollegen versammeln, um darauf bunte Kärtchen hin- und herzuschieben. Unsere Entwicklungsredaktion plant auf diese sehr analoge Weise die nächsten digitalen Features von ZEIT ONLINE: die neue Push-Funktion, die neuen Podcasts, unser neues Magazin Arbeit, das heute startet.

Die Pinnwand ist eines von vielen Hilfsmitteln aus dem Werkzeugkasten des Design Thinking. Bei ZEIT ONLINE praktizieren wir seine Methoden schon lange und arbeiteten auch schon eine Weile „agil“, bevor das Wort ins Vokabular von Unternehmensberatern einwanderte, um auch die Prozesse in eher analogen Industrien umzukrempeln.

Unternehmen belohnen effiziente Aufgabenerfüllung, nicht die Eigenständigkeit ihrer Mitarbeiter

Mit der Digitalisierung verändert sich der Alltag vieler Menschen. Seit Wertschöpfung immer stärker auf digitalen Diensten beruht, haben sich auch unsere Arbeitsweisen grundlegend gewandelt. Alte Hierarchien wanken, neue Kompetenzen werden gebraucht (wir beschäftigen in unserem Newsroom seit mehr als einem Jahr einen promovierten Mathematiker). Nur als Thema erkannt und journalistisch abgebildet haben wir das, was in der Arbeitswelt da draußen und eben auch bei uns geschah, bislang nur selten.

Auch eine zweite Entwicklung hat uns zum Nachdenken über Arbeit angeregt: Unsere eher jungen Leser diskutieren immer seltener über Karriere. Sie beschäftigt nicht der schnelle Aufstieg, sondern der Sinn ihres Tuns. Statt nach einem möglichst guten Gehalt suchen sie nach einer Aufgabe fürs Leben und nach einem Umfeld, in dem sie sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit einbringen können. Dabei ecken sie in Unternehmen an, die effiziente Aufgabenerfüllung belohnen, aber nicht die Eigenständigkeit ihrer Mitarbeiter.

Der Wunsch vieler Berufstätiger nach Selbstverwirklichung verändert die Art, wie Führung funktioniert. Und für viele bleibt die Frage, welche Art von Arbeit überhaupt sinnstiftend ist – und finden die Antwort, indem sie den perfekten Job einfach selbst bauen, in Agenturen ohne Chefs, als vernetzte Selbstständige in Co-Working-Büros. Sie gründen Start-ups, in denen alle alle Gehälter kennen oder soziale Unternehmen, die die Welt verbessern sollen.

Nicht jedes Berufsleben entwickelt sich geradewegs in Richtung Chefetage

Ab jetzt haben wir also Arbeit: ein tagesaktuelles Magazin, das diesen Wandel der Arbeitswelt begleitet. Und die Menschen, die in der neuen Arbeitswelt ihren Weg gehen, ob als Selbstständige*r oder Angestellte*r, Start-up-Gründer*in, freie*r Kreative*r, Leiharbeiter*in, Beamte*r oder Crowdworker*in. Die einen fürchten lebenslange Unsicherheit in prekären Beschäftigungsverhältnissen, andere genießen das Privileg eines Berufs, der ihnen viele Freiheiten lässt. Über beides werden wir bei Arbeit künftig berichten. Leonie Seifert, die zuvor Redakteurin beim Print-Magazin ZEIT Campus und im Ressort Chancen der ZEIT war, wird Arbeit inhaltlich verantworten.

Insbesondere den nach 1980 Geborenen wird nachgesagt, sie akzeptierten Arbeitsumstände, in denen sie nicht selbst über ihre Zeit und Ziele bestimmen können, immer weniger. Und das ist nicht der einzige Zeitgeist, der die Arbeitswelt durchweht. Entstanden in der Gegenkultur der späten 1960er Jahre gehörten Themen wie Nachhaltigkeit, Integration von Minderheiten und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu den umstrittensten Politikthemen der vergangenen Jahrzehnte. Echte Breitenwirkung entfalten sie nun am Arbeitsplatz. Die Debatten um Diversität, Chancengleichheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden wir deshalb im neuen Magazin Arbeit intensiv weiterführen. Etwa mit der paradoxen Geschichte über schwedische Frauen, die sich dafür schämen, Zeit mit ihren Kinder zu verbringen, statt ins Büro zu gehen.

Arbeit wird auch in die Zukunft blicken. Kein Unternehmen in Deutschland bliebe unberührt von der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles vor wenigen Tagen auf einer ZEIT-Konferenz in Berlin. Anlass zur Panik – oder zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens – ist diese Erkenntnis für die Ministerin nicht. Aber ein Grund, dem demografischen Wandel etwas gelassener entgegenzusehen. Wo Fachkräfte fehlen, kämen Andrea Nahles intelligente Maschinen gerade recht. Doch ob durch künstliche Intelligenz und Roboter in Deutschland künftig mehr Jobs entstehen als wegfallen, wird davon abhängen, ob sich genug Menschen das Wissen aneignen, um effektiv mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Anders als es der Begriff „Karriere“ nahelegt, der bislang unsere Berichterstattung überschrieb, entwickelt sich nicht jedes Berufsleben geradewegs in Richtung Chefetage. Umbrüche und Neuanfänge, Erfolge und Enttäuschungen, Zweifel und Konflikte gehören dazu. Die Leser von Arbeit laden wir deshalb regelmäßig ein, von ihren eigenen Erfahrungen zu erzählen. In den kommenden Tagen wollen wir etwa wissen, welche Rolle Diskriminierung in ihrem Berufsleben bislang gespielt hat und wie sie es eigentlich mit dem Blaumachen halten. Und stellen ihnen im Gegenzug den Psychologen Louis Lewitan an die Seite, der die ersten fünf Werktage von Arbeit täglich eine Frage zum Thema Stress beantworten wird. Bestenfalls entdecken wir so gemeinsam Stück für Stück neue Wahrheiten über die Arbeitswelt von heute.

45 Kommentare

  1.   Maria Exner

    Oder einfach „Redaktionsteam“. Ihr Kommentar lässt mich vermuten, dass Sie mir und meinem Team Professionalität im Job nicht zutrauen – weil wir Frauen sind. Sie sind damit, wie andere Kommentare hier zeigen, nicht allein. Überdenken sollten Sie diese Haltung trotzdem.

  2.   Maria Exner

    Was Sie sagen, bedeutet im Umkehrschluss: Redaktionelle Beiträgen – egal ob TV, Radio, Online oder Print – die von männlichen Journalisten erstellt werden, schließen Frauen als Leser per se aus. Das ist natürlich Unfug. Ihr Kommentar spricht dafür, dass Sie mir und meinem Team nicht zutrauen, kompetent über alle Themen des Berufslebens zu berichten – weil wir Frauen sind. Das sollten Sie überdenken.

  3.   Token17

    Also, den weiblichen Blick auf Arbeit habe ich täglich von meiner und meinen Kolleginnen.

  4.   leser500

    Maria Exner: „Warum nicht?“

    : weil, wie ein Vorredner treffend bemerkt hat, das Magazin, mit reiner Frauensicht und Gendersternchen, bereits beim Startschuss 60% der Erwerbstätigen und 60% der Firmengründer ausschliesst, dabei aber von Diversität schwadroniert. Das ist auch für mässig geübte Denker ein Widerspruch.

  5.   Ratz_y

    Warum ist dann eine rein männliche Redaktion so oft in der Kritik gestanden? Der Vorwurf lautete, dass ein Mann die Empfindung einer Frau nicht nachvollziehen können.
    Ich behaupte mal, wenn das so wäre, dann kann auch ein reines Frauenteam nicht die Empfindungen eines Mannes nachvollziehen.

    Dieser Kommentar wurde gekürzt. Bitte verzichten Sie auf herabwürdigende Sprache.

  6.   Evi Denz

    > Dafür haben wir ganz viele wunderbare männliche Autoren!
    Zum Beispiel Roberto Blanco ist ein ganz wunderbarer männlicher Autor.

  7.   Mathe-Lehrerin

    Bei der Betrachtung des Bildes fiel sofort auf, dass dieses Magazin mehr Diversität, hier: Männer, braucht.

    Es reicht nicht, nur ein paar Autren zu haben. Echte Gleichberechtigung bedeutet, dass nicht nur Frauen die Führungspositionen einnehmen.

  8.   Redukteur

    „Wir nennen es Arbeit“
    Weil Sie es nicht besser wissen.
    Ich habe nach den ersten Artikeln schon das starke Gefühl, die klassische Erwerbsarbeit wird nicht im Fokus stehen, sondern die, bei denen das Wort „Arbeit“ sofort die aktuell gängigen buzzwords eine bestimmten gesellschaftlichen Kohorte auslöst .. „work live balance, sabbatical, Selbstverwirklichung, gender pay …….“

  9.   suchenwi

    Verbesserungsvorschlag:
    Dieser Teil von zeit.de verwendet die funktional schwachen Kommentarfunktionen der Blogs (kein direktes Feedback „Melden – Kommentieren – Empfehlen“ möglich, wie sonst üblich, auch bei „Campus“ und „ZEIT Magazin“.)

    Wenn ihr das noch umstellen könntet, wäre es schön. Ich gebe halt gerne Sternchen, wenn mir ein Kommentar gefällt, oder antworte direkt auf einen, nicht ganz hinten am Ende…

  10.   Mausi13

    „Wir nennen es Arbeit“

    Andere würden es „Kaffeekränzchen“ nennen.

 

Kommentare sind geschlossen.