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Zu bunt getrieben

 

Zuviel Salz, Fett und Zucker – das war bisher alles, was Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner an Lebensmitteln interessierte. Nun will die Ministerin das Essen auch sicher verpacken. Denn die bunten Farben auf Papier, Pappe und Kartons sind gesundheitsschädlich. Neueste Forschung zeigt, dass die leicht flüchtigen Bestandteile in den Druckfarben zu 70 Prozent von der Verpackung in die Lebensmittel übergehen. Künftig sollen nur noch solche Substanzen erlaubt sein, die auf einer Positivliste stehen und sozusagen gut verdaulich sind.

Wer meint, das könnte nur Lebensmittel betreffen, die wie Reis, Grieß, Mehl oder Nudeln lose verpackt sind, irrt leider. Auch Innenbeutel aus Papier oder Kunststoff-Folien aus Polyethylen stellen keine wirksame Sperre dar. Selbst Tiefkühlung schützt nicht, sogar Fischstäbchen oder Pizza sind betroffen.

Die Richtwerte, die es gibt, sind weit überschritten. Ein Züricher Labor wies beispielweise für Reis einen Mineralölgehalt von 15,4 Milligramm pro Kilogramm nach. Diese teils hochgiftigen und sogar krebserregenden Mineralöle sind ein Bestandteil der Druckfarben. Das unschädliche Limit liegt bei 0,6 Milligramm pro Kilogramm – also bei einem Bruchteil davon.

Das Problem ist nicht neu, doch die Bundesregierung hat jahrelang gemauert. Bereits 2006 veröffentlichte die Deutsche Umwelthilfe Daten, dass Saftkartons und damit auch Säfte mit Farbfixierern (ITX) belastet waren. Nach der Warnung zog die Verpackungsindustrie die umstrittene Substanz zum größten Teil aus dem Verkehr, setzte aber andere Chemikalien zum Bedrucken der Getränkekartons ein, deren toxikologische Wirkung weitgehend unerforscht ist.

Vorreiter für einen wirksamen Verbraucherschutz in puncto Verpackungen sind die Schweizer. Seit 1. April 2010 gibt es dort eine gesetzliche Positivliste für gesundheitlich unbedenkliche Druckfarben. Im Vorfeld behauptete die Industrie, jetzt werde es „schwarz-weiß“ in der Schweiz. Weit gefehlt. Immer noch gibt es bunte Hüllen, allerdings bedruckt mit sauberen Farben, die nicht aggressiv sind.

Daran will sich Verbraucherministerin Aigner nun offenbar orientieren. Die Deutsche Umwelthilfe fürchtet, dass es bei „Ankündigungen“ bleibe, da sicher Gegenwind aus Brüssel zu erwarten sei. Bislang habe Aigner nicht gezeigt, dass sie sich auf EU-Ebene durchsetzen könne.

Dabei muss die Ministerin sich doppelt anstrengen, denn in Mitleidenschaft gezogen wird gleichzeitig eine der größten Errungenschaften des Umweltschutzes, das Recyclingpapier.

Lebensmittelkartons bestehen größtenteils aus Altpapier und schonen so Ressourcen und den Wald. Da das Recyclingmaterial aber vor seiner zweiten Karriere als Verpackung aber kaum gereinigt wird, stecken die giftigen Farbbestandteile noch drin. Kurz gesagt: Wer also das Recycling retten will, der muss ganz vorne ansetzen und an die Farben ran.