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Chinas Problem mit der Chemiekeule

 

Copyright: Philippe Huguen/AFP/GettyImages
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Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) veröffentlicht ja manchmal wirkliche Perlen. Diesmal ist es der Global Chemical Outlook, der die Folgen des weltweiten Chemikalieneinsatzes untersucht. Die UNEP warnt davor, dass immer deutlicher werde, wie sehr Wirtschaftswachstum und Chemieeinsatz korrelieren: Je stärker die Wirtschaft wachse, desto schneller und unkontrollierter werde zur Spritzpistole gegriffen. Das Problem: Bislang ist viel zu wenig über die möglichen Risiken für Mensch und Natur bekannt.

„Communities worldwide – particularly those in emerging and developing countries – are increasingly dependent on chemical products, from fertilizers and petrochemicals to electronics and plastics, for economic development and improving livelihoods,“ said UN Under-Secretary General and UNEP Executive Director, Achim Steiner.

„But the gains that chemicals can provide must not come at the expense of human health and the environment. Pollution and disease related to the unsustainable use, production and disposal of chemicals can, in fact, hinder progress towards key development targets by affecting water supplies, food security, well-being or worker productivity.“

Dem Report zufolge (nach UNEP-Einschätzung übrigens die erste umfassende Bewertung überhaupt) sind aktuell 140.000 verschiedene Chemikalien weltweit auf dem Markt. Nur ein Bruchteil von ihnen ist bislang einer umfassenden Risikobewertung unterzogen worden.

Dabei wird der Einsatz von Chemikalien, gerade in der Landwirtschaft, laut UNEP in den kommenden Jahren rasant steigen. Gerade die hohen Raten Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern sind offenbar ohne stärkeren Chemieeinsatz kaum zu haben.

Welche Folgen das haben kann, zeigt ein Blick nach China.  Zwischen 2000 und 2010 wuchs dort die Chemikalienproduktion jährlich um etwa 24 Prozent – im gleichen Zeitraum waren es in Deutschland dagegen nur fünf bis acht Prozent. 42 Prozent der weltweiten Textilchemikalien-Produktion werden in China verwertet – so viel, wie nirgendwo anders.

Das hat Greenpeace zum Anlass genommen, einmal die chinesische Textilindustrie zu durchleuchten und in der Detox-Kampagne eine Produktion ohne gefährliche Chemikalien zu fordern. Noch immer ist es ja so, dass der Einsatz der Chemikalien in China relativ unkontrolliert passieren kann.

So ist etwa Nonylphenol in der EU verboten, in China ist der Einsatz laut Greenpeace nicht geregelt, es wird als Tensid in Waschmitteln genutzt. Am Ende wirken sich solche Textilchemikalien auf Mensch und Natur aus: Schwermetalle und organische Chemikalien werden nur langsam abgebaut und landen in der Nahrungskette. UNEP zitiert in dem Report eine Studie, welche die Schäden des Chemieeinsatzes auf die chinesische Fischerei auf allein 634 Millionen US-Dollar schätzt. Und zwar jährlich.

Was also tun? Die Detox-Kampagne und das öffentliche Anprangern von Greenpeace sind ein Weg: Große Modemarken wie Nike, Adidas und H&M haben zugesagt, bis 2020 auf gefährliche Chemikalien in der Textilproduktion zu verzichten.

Die UNEP setzt vor allem auf einen besseren regulatorischen Rahmen. Es müssen Umweltgesetze her, Behörden sollten sich besser vernetzen, Verantwortungen zwischen staatlichen Institutionen, Herstellern und Konsumenten müssten besser geklärt werden. Gerade Entwicklungsländer sollten auf Prävention setzen, den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft reduzieren und lieber sichere Alternativen bewerben statt am Ende teuer Umweltschäden zu beseitigen. Dass das alles kostet, weiß auch Steiner von der UNEP:

„To harness the economic benefits of sound chemicals management, closer cooperation and better planning is required between government ministries, public and private sectors, and others in the chemicals supply chain. This requires broad and ambitious efforts, underpinned by strategic financing.“