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Strompreis-Debatte: Willkommen im Wahlkampf

 

Kohlekraftwerk und Windräder in Niedersachsen © Daniel Reinhardt/dpa
Kohlekraftwerk und Windräder in Niedersachsen © Daniel Reinhardt/dpa

Man kann Peter Altmaier glauben, dass er die Energiewende tatsächlich für ein sinnvolles Projekt hält. In seinem 10-Punkte-Programm vom vergangenen August vertrat er sogar die Meinung, die Energiewende sei nach der Staatsschuldenkrise die zweitwichtigste „gesamtpolitische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe“.

Am Dienstagmorgen erzählte er gar im Fernsehen: „Ich hab‘ fast jedes Windrad persönlich gestreichelt und jede Biogasanlage beschnuppert.“ So viel, wie Peter Altmaier durch Deutschland tourt und quatscht, nehme ich ihm das fast ab (aber nur fast, schließlich gibt´s inzwischen mehr als 23.000 Windräder in Deutschland).

Wenn Altmaier nun die Energiewende am Herzen liegt und sie gerade ein gesamtpolitisches Projekt sein soll, dann erweist er ihr mit der aktuellen Debatte über die EEG-Umlage wohl vorerst einen Bärendienst. Nur noch mal kurz ein paar Erklärungen zum Problem: Deutschland klagt über steigende Strompreise. Und die Ursache scheint klar zu sein: Die Ökostrom-Umlage ist schuld. Jeder Ökostrom-Produzent erhält ja eine gesetzlich garantierte Vergütung für seine eingespeiste Kilowattstunde Ökostrom. Das Geld dafür bringen alle Stromkunden durch eine Umlage auf den Strompreis auf. Die Höhe dieser EEG-Umlage berechnet sich aus der Differenz zwischen dem Börsenpreis und der gesetzlichen Vergütung.

Jüngst ist die Umlage um einen Rekordwert auf 5,277 Cent je Kilowattstunde gestiegen. Das Problem ist. Sie ist Opfer des eigenen Erfolgs: Je mehr Ökostrom ins Stromnetz eingespeist wird, desto stärker sinkt der Börsenpreis. Und desto höher muss die Umlage am Ende ausfallen.

Altmaier hat nun insgesamt fünf Vorschläge ins Gespräch gebracht, wie er den Anstieg der Umlage drosseln will. Er teilt in alle Richtungen aus: Damit sich die EEG-Umlage verlässlich, berechenbar und bezahlbar entwickelt, will er sie erstmals deckeln. Nächstes und übernächstes Jahr soll sie nicht weiter steigen.

Und wie will er das machen? Schließlich gehen jedes Jahr neue Solaranlagen und Windräder ans Netz (und a propos Dilemma: Das ist politisch ja auch so gewollt!). Altmaier hat einen Mix vor: Auf der einen Seite soll die energieintensive Industrie, die bislang Ausnahmen genießt, auf einen Teil dieser Privilegien verzichten. 500 Millionen Euro erhofft sich Altmaier dadurch.

Weitaus bedenkenswerter finde ich allerdings die Vorschläge für die Ökostrombranche. Auf der einen Seite bekomme all diejenigen, die schon heute Ökostrom produzieren, die garantierte Vergütung (und bei Solarstrom sind die alten Fördersätze aus heutiger Sicht eine wahre Gelddruckmaschine). Die Betreiber dieser Altanlagen sollen sich einmalig mit einem „Energie-Soli“ beteiligen und auf einen Teil der Vergütung verzichten – 300 Millionen Euro will Altmaier so einsparen.

Aber auch für die Neuanlagen hat Almaier eine Idee: Sie sollen erst dann eine Vergütung bekommen, wenn genug Cash da ist, wenn also das sogenannte EEG-Konto, das die Differenz zwischen Börsenpreis und Vergütung darstellt, im Plus ist.

Verständlicherweise läuft die Ökobranche gerade gegen letzteren Vorschlag Sturm. Die gesamte Branche fürchtet einen Kollateralschaden: Die Neuregelungen könnten Investoren komplett verschrecken. Von einem massiven Vertrauensverlust ist die Rede. Warum sollte auch meine Volksbank einen Kredit für die Solaranlage gewähren (oder ein Bankenkonsortium für einen riesigen Offshore-Windpark), wenn ich noch nicht einmal sagen kann, mit welchen Einnahmen ich zukünftig kalkulieren werde, damit ich ihr erst einmal den Kredit abzahlen kann und dann auch von der Investition profitiere. Der bisherige Erfolg der Erneuerbaren ist ja gerade der aktuellen Investitionssicherheit per Gesetz geschuldet. Und wie Altmaier den bisherigen Investoren Bestandsschutz zusichern will, wenn er ihnen zugleich einen Energie-Soli abzwacken will, ist mir auch unklar.

Eine Baustelle hat Peter Altmaier meiner Ansicht nach komplett vernachlässigt. Wenn es ihm denn um die Entlastung der Stromkunden geht, warum setzt er nicht dann genau bei deren Stromrechnung an, sondern nur bei der reinen EEG-Umlage? Wie wäre es etwa damit, auch die Stromversorger zur Verantwortung zu ziehen? Eine Idee, die etwa auch das Öko-Institut schon einmal ins Spiel gebracht hat, wäre ein verpflichtendes Angebot von Strompreisen, welche die Entwicklung an den Spotmärkten wiederspiegeln. Bislang geben die Stromkonzerne die finanziellen Vorteile aus sinkenden Börsenpreisen nicht an die Stromkunden weiter, stattdessen können sie ihre Gewinnmargen erhöhen.

Sicher, Altmaiers Vorschlag ist ein politischer Coup, niemand war vorgewarnt. Vor allem aber ist er ein typischer Altmaier: Denn unser Bundesumweltminister ist natürlich auch ein perfekter Wahlkampfstratege. Der Vorschlag mag scheitern, an juristischen Hürden, am Widerstand des zukünftig rot-grün dominierten Bundesrats. Aber Altmaier kann sich am Ende öffentlich hinstellen und sagen: Seht her, ich hab´s doch versucht, die Strompreise in Griff zu bekommen. An mir ist es nicht gescheitert. Und die Strompreise werden sicherlich ein großes Thema sein, erst recht im September, wenn Deutschland wählt – und zum gleichen Zeitpunkt die neue Höhe der EEG-Umlage berechnet wird.

Daher würde ich sagen: Gut, dass wir jetzt auch über die Kostenseite der Energiewende sprechen: Danke, Herr Altmaier. Aber dann lieber mit Vorschlägen, die  juristisch wasserdicht sind und die eine Branche nicht von heute auf morgen abwürgen könnten.