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Prinzipienreiter Greenpeace

 

Keine Frage, das Anliegen von Greenpeace Energy, der Ökostrom-Tochter von Greenpeace, klingt sympathisch. Das Unternehmen aus Hamburg hat heute angekündigt, gegen die britischen Subventionen für das geplante Atomkraftwerk Hinkley Point C klagen zu wollen. Öko gegen Atom, David gegen Goliath – das ist die Botschaft.

Die Briten lassen sich ihr erstes neugebautes Atomkraftwerk seit 1995 einiges kosten: Die Regierung von Premier David Cameron garantiert dem französischen Betreiber EdF für unglaubliche 35 Jahre einen Abnahmepreis von umgerechnet 112 Euro je Megawattstunde. Nur zum Vergleich: Aktuell kostet eine Megawattstunde an der Strombörse in Leipzig etwa 30 Euro. Der lukrative Garantiepreis ist sogar an die Inflation gekoppelt, steigt also automatisch Jahr für Jahr. Selbst wenn der Börsenpreis negativ ist, kann Hinkley Point durchlaufen; der Staatsgarantie sei Dank.

Solche Subventionen führen zu Dumpingpreisen und machen den Wettbewerb kaputt, ist sich Greenpeace Energy sicher – und will jetzt die Europäische Kommission verklagen, welche noch schnell im vergangenen Jahr die umstrittenen Beihilfen genehmigt hat.

Aber hat die Klage wirklich realistische Chancen? Greenpeace geht davon aus, dass durch die britischen Subventionen der Durchschnittspreis für eine Megawattstunde an der Strombörse um etwa zehn bis 40 Cent schwanken könne. Also um gerade einmal ein Prozent – im besten Fall. Ob das eine marktverzerrende Wirkung ist, kann man wohl zu Recht bezweifeln. Der Effekt auf die Höhe der deutschen Ökostromumlage wird also wohl verschwindend gering sein.

Dass es nur so wenig ist, liegt vor allem daran, dass der britische Strommarkt und der europäische bislang nicht gut miteinander vernetzt sind. Es gibt noch nicht genügend Grenzkuppelstellen, die dafür sorgen, dass der Strom problemlos grenzübergreifend fließt. „Großbritannien ist nicht sehr stark in den EU-Markt integriert, sodass die Strombörsenpreise in Deutschland durch den Atomstrom aus Großbritannien eher geringfügig beeinflusst werden dürften“, schätzt auch DIW-Energiefachfrau Claudia Kemfert.

Greenpeace geht es aber ums Prinzip, nicht ums Geld. Wenn man sich anschauen würde, welche Staaten zurzeit neue Atomkraftwerke planen würden (Tschechien, Rumänien) und im Zweifelsfall ebenfalls den Atomstrom staatlich subventionieren würden, dann müsse man um jeden Preis den britischen Präzedenzfall verhindern.

Diese Klage hat also wenig mit Geld und Erfolgschancen zu tun, sondern mit Strategie: Wenn eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig ist, dann sorgt das für Unsicherheit bei den Investoren – und das wird im Zweifelsfall den Bau des Atomkraftwerks verzögern. Der Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick hatte übrigens ebenfalls intern eine Klage gegen die Atomsubventionen erwogen. Die Greenpeace-Klage sei begrüßenswert, man drücke Greenpeace die Daumen, heißt es beim Konkurrenten.

Und so wird einmal mehr die europäische Energiepolitik durch Klagen vorangetrieben. Würden solche kleinen Firmen wie Lichtblick (die Ende der 1990er Jahre durch Klagen die Liberalisierung des Strommarkts in der EU vorantrieben), Greenpeace Energy oder andere neue Stromanbieter nicht immer wieder klagen, dann wären wir wohl noch immer beim Strommarkt der neunziger Jahre mit großen Monopolisten. Und eine Energiewende mit Hilfe der Bürger hätte kaum Chancen. Die Zukunft von Europas Energiewende entscheidet sich vor Gericht.