Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Minusgeschäft Vattenfall

 

Update am 2. November 2015: Nach eigenen Angaben ist Greenpeace de facto vom Bieterverfahren für die Vattenfall-Kohlesparte ausgeschlossen worden. Der Organisator des Verkaufs, die Citigroup, habe mitgeteilt, dass Greenpeace Nordic nicht beabsichtige, „als Bieter aufzutreten“. Greenpeace kritisiert die Entscheidung. Es könne nicht sein, dass nur der Kaufpreis entscheidend sein, wichtig sei auch, dass „ein Käufer ein ökologisch und sozial schlüssiges Konzept“ vorlege. (muk)

Es gibt da diesen Tweet von Greenpeace Schweden, gute zwei Wochen ist er alt: Greenpeace will Vattenfalls Braunkohle-Sparte übernehmen, hieß es da vollmundig – und er sorgte weltweit für Aufmerksamkeit.

Heute hat Greenpeace Schweden in Berlin seine Pläne konkretisiert – und de facto rudern die Klimaschützer ein wenig zurück. Nein, kaufen wolle man Vattenfalls Kohlegeschäft auf keinen Fall, das sei ja ein Minusgeschäft. Den Wert der Kohlesparte beziffert Greenpeace auf gerade einmal eine halbe Milliarde Euro. Dazu kämen aber noch die Kosten für Renaturierung der geschundenen Lausitz und die Kosten für den Rückbau der Kraftwerke, die Greenpeace auf mindestens zwei Milliarden Euro beziffert. „We don’t want to pay money„, sagt Annika Jacobsen von Greenpeace Schweden.

Stattdessen präsentiert Greenpeace folgende Idee: Die Braunkohlesparte wird in eine gemeinnützige Stiftung (Arbeitstitel: Beyond lignite/ nach der Kohle) nach dem Vorbild der Steinkohlestiftung RAG übertragen. Diese soll sich dafür einsetzen, bis zum Jahr 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen und aus dem Kohle-Vattenfall ein Öko-Vattenfall zu machen, das Erneuerbare Energien produziert. Als Kapitalausstattung sollen die Rückstellungen für die Renaturierung, die Vattenfall gebildet hat, in die Stiftung eingehen. Außerdem sieht Greenpeace die deutsche und schwedische Regierung in der Pflicht, sich finanziell zu beteiligen. Und dann könnten natürlich auch engagierte Bürger mitmachen – man sei sich sicher, dass es ein gesellschaftliches Interesse gebe, Vattenfall in ein Erneuerbare-Energien-Unternehmen zu transformieren und dabei die gesamte Region mitzunehmen.

Damit all das aber passieren kann, hat Greenpeace heute offiziell in dem Verkaufsverfahren ein Statement of interest abgegeben – also eine Interessensbekundung. Heute um 12 Uhr lief die Frist dafür ab. Vattenfall teilte mit, dass „selbstverständlich (…) alle potenziellen Bieter gleich behandelt und niemand diskriminiert“ werde. Greenpeace mischt nun also in den Verkaufsgesprächen mit – nur: eben nicht, um selbst das Kohlegeschäft zu übernehmen, sondern um das Geschäft sozial und ökologisch gerecht abzuwickeln.

Am Ende bleiben zwei Frage: Ist das jetzt ein smarter Schachzug von Greenpeace oder nur ein guter PR-Gag? Und welche Chancen haben die Klimaschützer ernsthaft?

Greenpeace hofft auf eine politische Lösung in Stockholm: Nicht das finanziell attraktivste Angebot soll den Zuschlag bekommen, sondern der Bieter mit der nachhaltigsten und klimafreundlichsten Lösung. Dafür spricht, dass Schweden inzwischen von einer rot-grünen Minderheitsregierung regiert wird, die Druck macht, die Kohlesparte zu veräußern. Und auch die deutsche Bundesregierung muss das Konfliktthema Kohleausstieg angehen, wenn sie die Energiewende noch ernst nimmt. Auf der anderen Seite aber bietet unter anderem die tschechische Holding EPH mit, zu der auch der deutsche Kohlekonzern Mibrag gehört. Im kommenden Jahr sollen die Verkaufsgespräche beendet sein.