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Pfeffersäcke & Verfolger

 

Unlineares Dokutheater von Intendantin Karin Beier: „Pfeffersäcke im Zuckerland & Strahlende Verfolger“, am 2. und 7. Oktober im Schauspielhaus.

Nachts im Museum werden die Exponate lebendig. In Karin Beiers „Menschenausstellung“ klopfen die Schauspieler in ihren Glaskästen an die Scheibe: Setzen Sie den Kopfhörer auf, hören Sie mir zu! Das Theaterstück ist begehbar: Man bahnt sich im Malersaal seinen eigenen Weg durch die Vitrinen, präsentiert wird der Deutsche im Ausland. In selbstherrlich-laienanthropologischen Weltbetrachtungen deutscher Auswanderer in Brasilien wird ein Kultur-Clash geschildert, bei dem nur einer richtig Fahrt drauf hatte. Beim Surfen durch die Kanäle entwickelt sich ein mehrstimmiges Bild im Plauderton, dabei sind alle Geschichten echt: Pfeffersäcke im Zuckerland ist aufregend unlineares Dokutheater, jeder Zuschauer remixt sich die Aufführung selbst. Dann schließt die Ausstellung, die Museumswärter kommen zu Wort: Als slapstickhafte Wutrede wird der Elfriede-Jelinek-Text Strahlende Verfolger aufgeführt, der in einem gallespuckenden Bewusstseinsstrom die deutsche Hassliebe zum Fremden auseinandernimmt. Zur Asymmetrie von Ein- und Auswanderung hat Beier eine emotionale und engagierende Darstellungsform gefunden: faszinierend.

Update: Leider sind mittlerweile die Tickets für die Vorstellungen im Oktober vergriffen.

Text: Michael Weiland