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„Manger“

 

Schlingen und schmatzen, krümeln und krümmen: Der französische Choreograf Boris Charmatz inszeniert eine Fressorgie als provokantes Tanzstück auf Kampnagel.

Boris Charmatz ist dafür bekannt, zielstrebig Unbehagen auszulösen. In seinem schonungslos düsteren Stück Enfant stellte er Menschen als leblose Säcke dar, die von Maschinen beherrscht werden. Auf der Ruhrtriennale 2012 sorgte das nicht nur für Bewunderung – nach kurzer Zeit verließen einige Zuschauer schockiert den Saal. Charmatz, der als kompromissloser Vordenker gilt, bricht eben gerne Tabus, während er seine Tänzer zu Höchstleistungen antreibt. Die neueste Arbeit des Franzosen ist wohl ebenfalls kein Augenschmaus. Mit Essen verbinden Tänzer eher strengste Disziplin denn Genuss, außerdem findet Nahrungsaufnahme in der Regel selten auf der Bühne statt. In Manger steht das Schlingen und Schmatzen im Mittelpunkt. Während die Tänzer Esspapier vertilgen, krümmen und winden sich ihre Körper, als hätten sie Magenkrämpfe. Sie zucken und hüpfen, während aus mampfenden Mündern Popsongs und klassische Melodien erklingen – Kultur als Gegenstück zu absoluter Triebhaftigkeit. In der einstündigen Performance spielt der Starchoreograf mit Ekel und Abscheu und lässt kulturhistorische sowie soziale Fragen in der Luft schweben.

Text: Natalia Sadovnik

Boris Charmatz: manger from herbst remixed on Vimeo.