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FC St. Pauli

Tiefer stapeln!

 

Die Bezirksversammlung Mitte spricht sich für den grünen Aufbau auf dem Feldstraßenbunker aus. Das wirkt zukunftsbejahend – solange man nicht so genau hinschaut.

November 2014: Auf dem kahlen Dach des Bunkers an der Feldstraße stehen der Architekt Tim Schierwater und der Anwohner Tobias Boeing und halten ein Modell aus Kunststoff in Kameras. Obwohl der Wind ihnen fast ihre Mützen vom Kopf weht, grinsen sie. Denn in ihren Händen liegt eine verrückte Idee: Der Flakbunker aus dem Zweiten Weltkrieg soll so schnell wie möglich einen fünfstöckigen, begrünten Aufbau erhalten, begehbar durch eine Rampe, die um das massive Gebäude führt.

Über eineinhalb Jahre ist das jetzt her und wenn man eines sicher sagen kann, dann das: Visionen wie die von Schierwater und Boeing sind in einer Stadt wie Hamburg nicht auf die Schnelle umsetzbar. Auch nicht auf St. Pauli, einem Stadtteil, von dem man glauben könnte, er sei spontan und offen für originelle Projekte.

Die Bezirksversammlung Mitte hat sich zwar am Dienstagabend für das Bauprojekt ausgesprochen – 31 mal Ja, 14 mal Nein. Sie hat einem Vorhaben, das bereits unfassbar viele Abstimmungsprozesse durchlaufen hat, neben einigen kleinen aber auch eine große Hürde auferlegt. Der Bunker soll, so die Forderung der Lokalpolitiker, statt fünf nur drei neue Stockwerke erhalten.

Eine erstaunlich eingeschränkte Sichtweise

Um zu verstehen, wie einschneidend das ist, muss man wissen, dass die Stadt beabsichtigt, den Erbpachtvertrag mit der Thomas J. C. Matzen GmbH bis 2092 zu verlängern. Das Unternehmen will den pyramidenförmigen Aufbau finanzieren und rund 7.500 Quadratmeter öffentlich zugängliche Flächen schaffen. Geld einnehmen will es durch Räume, die im Inneren liegen: unter anderem zwei Gästehäuser, ein Fitnessstudio und eine Sporthalle, die auch für Konzerte genutzt wird.

Für einige Anwohner war dieses Refinanzierungsmodell von Anfang an unglaubwürdig. Hinter dem Vorhaben stecken ihrer Meinung nach ausschließlich kommerzielle Interessen, denen im linksalternativen Viertel durch ein wenig Begrünung Akzeptanz verschafft werden soll. Dass der Bunker eh schon an viele kleine Firmen vermietet ist? Ihnen egal. Dass diese bereits jetzt Miete an Thomas J. C. Matzen zahlen ebenfalls. Lieber den grauen Klotz so lassen wie er ist, als ihn zugänglich machen und so möglicherweise weitere Touristen nach St. Pauli locken. Eine erstaunlich eingeschränkte Sichtweise.

So überzeugt die Befürworter des Bunkers auch von ihrer Idee sind, mangelnde Kritikfähigkeit kann man ihnen nicht vorwerfen. Die Anwohner, die sich um Tobias Boeing in der Projektgruppe Hilldegarden zusammengefunden haben, um die öffentlichen Flächen zu planen, sind mehrfach auf Podiumsdiskussionen im Stadtteil aufgetreten. Sie haben es ertragen, von Denkmalschützern und gekränkten Hobbygärtnern beschimpft zu werden. Eine Gruppe, die aus Prinzip gegen den Aufbau ist, haben sie nie erreicht. Für sie sind die Hilldegarden-Leute das Feigenblatt eines Investors geblieben.

Das Ja bekommt ein großes Vielleicht

Die Bezirkspolitik verkauft ihre Zustimmung nun als ein Zeichen dafür, dass Hamburg wieder bereit ist, große Vorhaben anzugehen. Als einen Weckruf aus der Post-Olympia-Aus-Lethargie. Streng genommen ist eine Mehrheit der Bezirksversammlung aber genauso wenig risikobereit wie die Nörgler auf St. Pauli. Das klare Votum für den Bunkeraufbau kam nur zustande, weil Grüne und SPD als Fraktionen geschlossen abstimmten. Wenn man bedenkt, dass sich in einer internen Umfrage in der Koalition am Vorabend 14 Abgeordnete dafür und zwölf dagegen aussprachen, sieht es anders aus.

Der entscheidende Punkt, der dem Ja ein großes Vielleicht hinzufügt, ist die Forderung, zwei Stockwerke zu streichen. Begründet wird sie damit, dass ein um etwa 20 Meter höherer Bunker sich nicht in die Umgebung einfüge und zu viel Schatten aufs Karoviertel werfe. Zur Erinnerung: Der Bunker liegt am Rande des Heiligengeistfeldes, auf dem fast das halbe Jahr über ein Riesenrad und eine Achterbahn steht. Was das Planungsbüro zu diesen Auflagen sagt, ist bislang nicht bekannt. Man will erst beratschlagen. Ob sich für Thomas J. C. Matzen der Aufbau noch rechnet, wenn zwei Stockwerke fehlen – zweifelhaft.