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FC St. Pauli

Nicht nur als Fußballer mutig

 

Deniz Naki ging beim FC St. Pauli selten einem Konflikt aus dem Weg. Die meisten haben ihn deswegen geliebt. In der Türkei scheint er nun erwachsen geworden zu sein.

Sein Verhältnis zu Deniz Naki sei wie das zwischen einem Sozialarbeiter und seinem Schützling gewesen, schreibt Fabian Boll. Von 2009 bis 2012 spielte die St. Pauli-Legende mit dem kurdischstämmigen Stürmer zusammen. Während dieser Zeit sah er es als seine Aufgabe an, Nakis hitziges Gemüt zu beruhigen, so ist das in der Biografie Bolls nachzulesen.

Gut vier Jahre nach seiner Zeit beim FC St. Pauli hat Naki, der nun für einen kurdischen Klub spielt, auf Facebook Posts verbreitet, die türkische Behörden als Propaganda für die verbotene kurdische Partei PKK werteten. Er wurde angeklagt, doch Anfang der Woche wurde das Verfahren eingestellt. Der Mut des Ex-Paulianers, sich dem Prozess zu stellen, ist bemerkenswert – und war zu seiner Zeit in Braun-Weiß nicht unbedingt absehbar.

Zurückhaltend war Deniz Naki auch in seiner Zeit beim Kiezklub nicht. Wie er die Anklage und den Prozess aber verarbeitet, zeigt, dass der Fußballer aus Düren in der Eifel außer einem losen Mundwerk auch das Zeug zum Vorbild hat. Er ist mittlerweile erwachsen geworden.

Verabschiedung von Deniz Naki am Millerntor. Foto: Willi Daubner
Verabschiedung von Deniz Naki am Millerntor. Foto: Willi Daubner

Deniz Naki ist noch immer eng und leidenschaftlich mit dem Verein verbunden. Seine Fahnenaktion in Rostock, als er nach dem Abpfiff und verbalen Schmähungen der Rostocker Fans den Jolly Roger in den Rasen an der Ostsee stieß, hat ihn für uns St. Paulianer unvergesslich gemacht.

Deniz Naki war nie bange, sich mit anderen anzulegen, seine Meinung zu sagen, auch wenn es Ärger bedeutet. Das zeigt die berüchtigte Halsabschneidergeste gegenüber den Rostocker Fans genauso, wie seine Ansprache seinen Trainern gegenüber. Deniz Naki ist schnell zu provozieren, sagen seine Mitspieler. Den jetzigen Trainer von Borussia Mönchengladbach, André Schubert, hat er, als dieser noch St. Paulis Trainer war, genauso angebrüllt, wie foulende Mitspieler und unfaire Schiedsrichter.

Mit seiner impulsiven Art stand sich Deniz Naki oft selbst im Weg, St. Paulis Fans haben ihn ob dieser Eigenschaft beinahe noch heißer verehrt. Wer sich mit Obrigkeiten und Rostockern anlegt, der gewinnt schnell die Herzen auf St. Pauli.

„Es lebe die Freiheit“

Seit der Konflikt zwischen Kurden und Türken in der Osttürkei immer wieder eskaliert, engagiert sich Naki für die kurdische Sache. Er zeigt auch hier keine Angst vor den Mächtigen und gibt sich widerständig gegen türkische Fußballfans, die ihn deswegen als einen Verräter beschimpfen. Auch nach seiner Rekordsperre von zwölf Spielen durch den türkischen Verband blieb er demonstrativ bei seinem Verein, dem türkischen Drittligisten Amed SK. Obwohl er sich als Deutscher leicht dem Prozess wegen Terrorpropaganda hätte entziehen können, blieb er, obwohl ihm fünf Jahre Haft drohten. Eine mutige Haltung in einem Land, in dem Regimekritiker haufenweise angeklagt und inhaftiert werden.

epa05622067 Amedspor FC player Deniz Naki (C) speaks to the press after the case against him was dropped, in Diyarbakir, Turkey, 08 November 2016. The trial against Naki was discontinued after public prosecutor dropped the case. German-born Deniz Naki, of Alevi-Kurdish background, was on trial charged with spreading terrorist propaganda, social media misconduct, and supporting banned PKK. EPA/STR (zu dpa-Meldung: «Verfahren gegen Fußballer Deniz Naki in Türkei eingestellt» vom 08.11.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++ |
Deniz Naki stellt sich in Diyarbakir den Reporterfragen, nachdem der Prozess gegen ihn eingestellt wurde. (c) dpa

Eine Haltung, die er in ihren Grundzügen auf dem Kiez erlernt haben mag. Aber erst in der Türkei hat er gezeigt, dass sich sein Mut nicht nur auf Fußball beschränkt. Deniz Naki hat als kurdischer Fußballer in diesem ernsten Konflikt gezeigt, dass er längst keinen Sozialarbeiter mehr braucht.