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Studium

Noch schneller, noch erfolgreicher

 

Viele Studenten leiden unter dem Druck ihres Studiums und werden krank. Schuld daran ist jedoch nicht die Bologna-Reform.

Von Tanja Schreiner, Autorin der Eimsbütteler Nachrichten

Ein Praktikum nach dem nächsten, Auslandserfahrung und idealerweise noch soziales Engagement neben dem Studium. Da bleibt keine Zeit für Unsicherheiten, Fehler oder Umwege. „Rund ein Drittel der Studenten leiden Metaanalysen zufolge an einer Depression“, sagt Cüneyt Demiralay, Facharzt in der Spezialambulanz für Depression am UKE. Das Risiko an einer Depression zu erkranken, gilt bei Studenten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung als erhöht.

 

Viele Studenten leiden unter dem Stress und Druck in ihrem Studium. Foto: Tanja Schreiner
Viele Studenten leiden unter dem Stress und Druck in ihrem Studium. Foto: Tanja Schreiner

Gedrückte Stimmung, Antriebsarmut oder Appetitmangel – die Symptome einer Depression sind vielfältig. Als erstes treten häufig Schlafstörungen, wie Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen und viel zu frühes Erwachen auf, so Demiralay. Aber auch Unruhe oder Panikattacken können vorkommen. Später könne eine Depression sogar so stark werden, dass man den Lebenswillen verliere und Suizidgedanken habe.

Bei manchen läuft das Glas schneller über

„Grundsätzlich kann jeder an einer Depression erkranken“, sagt der Arzt, „aber Stress ist da ein ganz entscheidender Faktor“. In der Psychologie geht man von dem sogenannten „Stress-Diathese-Modell“ aus. Das könne man sich wie ein Wasserglas vorstellen, das bei jedem unterschiedlich schnell zum Überlaufen gebracht werden könne. Stress und soziale Belastung lassen den „Wasserpegel“ ansteigen und können das Glas irgendwann zum Überlaufen bringen. Bei manchen geht das schneller als bei anderen. Dabei spiele auch die genetische Veranlagung eine Rolle, erklärt Demiralay: „Ist schon jemand in der eigenen Familie erkrankt, hat man selbst ein erhöhtes Risiko, auch an einer Depression zu erkranken.“

In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach psychologischer Beratung an deutschen Universitäten stark gestiegen. Foto: Moritz Gerlach
In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach psychologischer Beratung an deutschen Universitäten stark gestiegen. Foto: Moritz Gerlach

Je nachdem, wie schwer die Depression ist, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten: Bei leichten Depressionen helfe oftmals schon eine Verhaltenstherapie, bei schwereren Depressionen empfiehlt Demiralay zusätzlich eine Therapie mit Medikamenten.  In Hamburg müsse man jedoch je nach Praxis drei bis sechs Wochen auf einen Termin beim Psychotherapeuten warten, so Demiralay.

Am häufigsten kommen Studenten mit Depressionen

Etwas schneller geht es da bei der Psychologischen Beratung an der Universität Hamburg. Dort kümmern sich Bernd Nixdorff und sein Team um die persönlichen und studienbezogenen Probleme von Studenten. In Einzelgesprächen, aber auch in Gruppen helfen sie bei verschiedenen Schwierigkeiten – von Prüfungsängsten über Beziehungsprobleme oder Essstörungen bis hin zu Depressionen. Einmal in der Woche bieten sie außerdem eine offene Sprechstunde an, in der Studenten ohne Voranmeldung ein kurzes Beratungsgespräch mit einem Psychologen führen können. Am häufigsten kämen Studenten mit Depressionen, sagt Nixdorff. Eine Psychotherapie bekomme man hier nicht, aber für viele sei die psychologische Beratung ein wichtiger erster Schritt.

Mehr Stress durch Bachelor und Master?

„Es ist unheimlich viel Druck da“, sagt der Psychotherapeut. Dieser werde von den Studenten zudem subjektiv stärker erlebt, als er objektiv sei. Das alles könne zu Erschöpfung und dann auch Depressionen und Ängsten führen. „Aber Bachelor und Master können nicht als unmittelbare Gründe dieser Entwicklung gesehen werden!, so Nixdorff. Stärker noch sei es eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die Studenten immer mehr das Gefühl gebe, sie müssten noch schneller und erfolgreicher werden.

So ist auch die Nachfrage nach psychologischer Beratung an deutschen Universitäten in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Nach Angaben des Deutschen Studentenwerks kamen 2007 rund 22.800 Studenten zur Beratung. Fünf Jahre später suchten mehr als vier Mal so viele professionelle Hilfe an der Universität: rund 96.000 Studenten. Auch bei der psychologischen Beratung an der Universität Hamburg seien die Neuanmeldungen seit 2007 kontinuierlich gestiegen, so Bernd Nixdorff. Er stelle außerdem fest, dass sich die Probleme der Studenten geändert hätten. „Früher hatten wir eher das Problem, dass Studierende nicht mit ihrem Studium fertig wurden, mit der Unstrukturiertheit überfordert waren.“ Heute sei es weniger Prüfungsangst, aber Symptome wie Burnout, Stress und Depressionen hätten zugenommen, erklärt der Psychotherapeut.

„Gerade, wenn der Studienalltag immer mehr zunimmt, ist es besonders wichtig auf einen guten Ausgleich zu achten“, sagt Cüneyt Demiralay. Er empfiehlt Sport und andere Hobbys nicht zu vernachlässigen.

Mehr Informationen zur Psychologischen Beratung an der Uni Hamburg gibt es hier…