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FC St. Pauli

Wäre ich Darmstadt-Fan, wäre mir angst und bange

 

Diese Saison ist es verhext. Vier Heimsiege nacheinander, neun Punkte in Folge, der FC St. Pauli aber ist immer noch abstiegsbedroht. Daran hat auch die 5:1-Gala gegen den VfL Bochum nichts geändert. Die Spielfreude, die Mittelstürmer Lennart Thy und seine Mitspieler am Sonntagnachmittag an den Tag legten, zeigte aber wieder, wie sehr die Mannschaft am Saisonende in Fahrt gekommen ist.

Die Mannschaft agierte so, dass ein Erfolg am finalen nächsten Spieltag als nicht unwahrscheinlich erscheint – auch wenn der Gegner Darmstadt 98 noch um den Aufstieg spielt. Wäre ich Anhänger der Hessen, mir wäre angst und bange. Dieser FC St. Pauli ist noch nicht fertig.

Dabei begann das Spiel gegen Bochum so, wie Anna, meine treue Nebensteherin, es befürchtet hatte: Die Gäste spielten locker auf, da für sie die Saison schon vor Anpfiff mehr oder weniger gelaufen war. Aufstieg und Abstieg, mit beidem hatten sie nichts zu tun. Die Spieler des Kiezclubs dagegen wirkten vom Anpfiff an fahrig und nervös.

Ein verstolperter Fehlpass von Mittelfeldmotor Christopher Buchtmann leitete dann auch schon in der vierten Minute den frühen Rückstand ein. Als St. Pauli im Vorwärtsgang fuhr, schaltete der VfL blitzschnell um und der ehemalige Kiezkicker Michael Gregoritsch schloss unhaltbar zum 0:1-Spielstand ab. Dass es in den folgenden Minuten nicht schlimmer wurde, ist ein Wunder. Gregoritsch etwa verzog nur Augenblicke nach der Führung leicht nach links. Das wäre der frühe Punch gewesen, der St. Pauli wohl den Mut geraubt hätte. Ähnlich, wie es der Karlsruher Ex-St. Paulianer Rouwen Hennings vor ein paar Wochen vorgemacht hatte.

„Vielleicht ist das ja der Weckruf, den die Jungs brauchen“, versuchte Anna uns Mut zu machen. Und in der Tat: nach einer Viertelstunde erlahmten die Angriffe der Bochumer. Der FC St. Pauli fing sich langsam. Die Schlüsselszene, da waren Anna und ich uns einig, war eine, die zunächst ohne Effekt war: Jan-Philipp Kalla, nach der frühen, verletzungsbedingten Auswechslung von Sören Gonther nun Mannschaftskapitän, sprintete 20 Meter diagonal über den Platz, um einen Bochumer Rückpass zu erobern. Wuchtig grätschte er den Bochumer Torwart Andreas Luthe an. Dieser ließ Kalla zwar aufreizend aussteigen, aber: Dieser Sprint war der Energieschub, der die Spieler des FC St. Pauli sichtlich in Wallung brachte. Sie bekamen jetzt immer mehr Kontrolle über den Gegner, störten früh und erfolgreich. Bochum blieb meist nur das Foul, um die St. Paulianer am Flanken zu hindern.

In der 34. Spielminute gelang ihnen das allerdings nicht: Ein Freistoß flog in den Bochumer Strafraum, wo eine verunglückte Kopfballabwehr direkt bei Lennart Thy landete, der volley abschloss. Der Ausgleichstreffer. Ein wunderschöner Drehschuss.

Der Bochumer Mannschaft, die unter der Woche wohl mit einem Infekt zu kämpfen hatte, fiel es nun schwer, dem Druck der Hausherren standzuhalten. Immer wieder kamen die St. Paulianer über die Außenpositionen, rechts besetzt durch Schachten, links durch Halstenberg, in aussichtsreiche Positionen. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit landete dann ein weiterer Standard im Strafraum. Genauer gesagt bei Marcel Halstenberg, der den Ball mit Wumms in die Maschen drosch. 2:1, St. Pauli hatte noch vor der Pause das Spiel gedreht. Ein Jubel, als wäre das Spiel schon gewonnen.

St. Pauli war aber noch lange nicht fertig.

#Klassehalten Hashtag Nordtribüne. Foto: Erik Hauth
#Klassehalten – Hashtag auf der neuen Nordtribüne. Foto: Erik Hauth

Nach der Pause machten die Boys in Brown dort weiter, wo sie aufgehört hatten. Der bärenstarke Buchtmann störte Bochum so früh im Spielaufbau, dass er den gewonnenen Ball gleich selbst ins gegnerische Tor wuchten konnte (49. Spielminute). 3:1 – Wahnsinn. Danach spielte St. Pauli seine lange verschütteten spielerischen Fähigkeiten aus. Ein sehenswerter Pass des nach Berlin ziehenden Dennis Daube auf Lennart Thy führte nur wenige Minuten später zur Vorentscheidung (52.). Bochum hatte nichts mehr entgegenzusetzen und musste sogar noch ein sehenswertes 5:1 hinnehmen: Der eingewechselte Waldemar Sobota zog in bester Robben-Manier am Strafraum entlang, fand die entscheidende Lücke und traf.

Zwanzig Minuten Zeit, um diesen FC St. Pauli zu feiern. Wann gab es das zum letzten Mal? Eigentlich eine Schande, dass es für so tolle Spiele auch nur drei Punkte gibt. Da alle direkten Konkurrenten ebenfalls punkteten, muss der FC St. Pauli so nun immer noch um dem Klassenerhalt spielen.

Annas Spieler des Tages war der unermüdliche „Schnecke“ Kalla, der mit seinen Aktionen die Akzente setzte, die zur Gala führten. Ein echter Kapitän.