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FC St. Pauli

Man darf ein wenig frohlocken

 

Die Niederlage des FC St. Pauli gegen Karlsruhe war geprägt von Fehlentscheidungen des Schiedsrichters. Unser Autor hat sich die gute Laune aber nicht verderben lassen.

„Das war ja eine schöne Bescherung“, so fasste Anna, meine Nebensteherin, das Spiel des FC St. Pauli nach dem Abpfiff zusammen. Der Karlsruher SC hatte die Boys in Brown sehr glücklich mit 2:1 besiegt. Und der von vielen Fans fest eingeplante Weihnachtsbonus, ein Heimsieg im letzten Heimspiel des Jahres, war dahin. So richtig schlechte Laune rief das bei mir aber nicht hervor.

Der FC St. Pauli überwintert auf dem vierten Tabellenplatz der zweiten Fußball-Bundesliga – und das ist ein Grund zur Freude. Wenn man die Situation heute mit der des FC St. Pauli vor einem Jahr vergleicht, dann darf man sogar ein wenig frohlocken. Damals stand die Mannschaft auf dem 17. Tabellenplatz und kämpfte gegen den Abstieg. Maßgeblich verantwortlich für die neuen Glücksgefühle ist der Trainer Ewald Lienen. Der Kiezclub und er – das passt politisch und fußballerisch perfekt zusammen.

Wunderkerzen am vorweihnachtlichen Millerntor; Foto: Willi Daubner
Wunderkerzen am vorweihnachtlichen Millerntor; Foto: Willi Daubner

Lienen hat die Mannschaft des FC St. Pauli so aufgestellt, dass es selbst bei einer Niederlage Momente gibt, über die man sich als Fan freuen muss. Gegen Karlsruhe sorgte Bernd Nehrig für einen solchen. Beeindruckend, wie der defensive Mittelfeldspieler in der 24. Minute sein großes Herz in seinen rechten Fuß legte und vom rechten Strafraumeck unhaltbar in die linke Torecke einschoss.

Der lange verkannte Nehrig lieferte eines seiner besten Saisonspiele ab und erinnerte mich an einen anderen St. Paulianer, der brotlosem Schönspiel gerne mal die Brechstange entgegensetze: Fabian Boll. Er könne nicht verstehen, dass Bernd Nehrig nicht Stammspieler sei, hatte Ewald Lienen gleich zu Beginn seiner Lovestory mit dem FC St. Pauli und gesagt und den wenig filigranen, aber robusten und erfahrenen Haudegen nach seiner Verletzung langsam zu einer Stütze des Teams aufgebaut. Warum, das hat Nehrig gegen Karlsruhe gezeigt.

Erfreulich war am letzten Spiel dieses Jahres auch, wie der FC St. Pauli mit den zwei Gegentoren umging. Mit erfrischender Selbstverständlichkeit dribbelten die Spieler nach den Treffern wieder aufs gegnerische Tor zu. Und auch von Fehlentscheidungen des Schiedsrichters ließen sie sich nicht irritieren. Gleich mehrfach übersah Michael Weiner Fouls an St. Pauli-Stürmern im gegnerischen Strafraum und ein Gegentor entstand aus einer Abseitsposition.

Dass die Unparteiischen am Millerntor nicht zur Rubrik Heimschiedsrichter gehören, das ist fast schon normal. „Mit den drei Elfmetern, die uns verwehrt geblieben sind“, witzelte Anna beim Nachhausegehen, „wäre das noch ein echtes Schützenfest geworden.“

Ewald Lienen dagegen war nicht zu Scherzen aufgelegt. Er knüpfte sich auf der Pressekonferenz das Schiedsrichtergespann vor. Nun wünscht er sich zu Weihnachten, dass der Videobeweis endlich eingeführt wird. Ich ahne bereits, dass der FC St. Pauli ihn dabei unterstützt und demnächst einen Antrag beim Deutschen Fußballbund einreicht. Verdient hat es Lienen jedenfalls, dass seine Wünsche in Erfüllung gehen.