Lesezeichen
‹ Alle Einträge
FC St. Pauli

Auswärts! Drei! Punkte!

 

Nach dem Sieg des FC St. Pauli gegen Greuther Fürth ist die Hoffnung zurück. Aber noch nicht das unerschütterliche Selbstvertrauen. 

Beim letzten Auswärtssieg war Winter. Obwohl das aktuelle Wetter nicht mit Gelegenheiten knausert, die Gliedmaßen winterlich erzittern zu lassen, muss man sich das erst einmal in aller Ruhe vorzustellen versuchen: Nie auf fremden Plätzen gewonnen seit dem Winter! Es war der 19. März 2016, und wir holten drei Punkte in Sandhausen. Am Tag danach erst begann kalendarisch der Frühling. Dann kam der Sommer.

Jetzt ist gefühlt der Herbst längst um. Und in gut einer Woche beginnt schon wieder (kalendarisch) der Winter. Also grad noch rechtzeitig: Mit dem 2:0-Sieg am Sonntagnachmittag in Fürth konnten wir verhindern, dass wir drei volle Jahreszeiten ohne einen einzigen Auswärtssieg erleben mussten.

Eine ähnlich dramatische Sicht auf die endlich beendete Erfolglosigkeit offenbart das Zählen der Minuten, die vor diesem wichtigen Sieg in Fürth budenfrei verstrichen sind. Mehr als acht Stunden lang traf keiner unserer Spieler das Tor. Und dann versenkten gestern im Frankenland gleich zwei den Ball im Gegnernetz – schon fast Verschwendung. Die zwei Treffer von Bouhaddouz und Sahin hätten doch theoretisch für zwei Siege, für sechs Punkte, für den Sprung auf den Relegationsplatz gereicht …

Die zweite gestrige Halbzeit gibt allerdings Anlass, darauf zu vertrauen, dass es mit Toren und Siegen weitergeht. Wie entschlossen und spritzig Waldemar Sobota an der gegnerischen Grundlinie – sogar die weiß bepuderten, äußersten Quadratzentimeter Grasfläche nutzend – die Gegner austrickste: Das war die erfrischendste Szene der ganzen laufenden Saison. Präzise legte Sobota nach diesem unwiderstehlichen Dribbel-Kunststück für Bouhaddouz auf, der im zweiten Versuch die Kugel im langen Eck versenken konnte. Sobota, endlich! Bouhaddouz, endlich!

Und mit wie viel Chuzpe Cenk Şahin (endlich!) in der Nachspielzeit in der Gegenattacke den einzigen noch im Weg stehenden Gegner austanzte und mit einem Lupfer Fürths Schlussmann bezwang – das zeugte von plötzlich erwachtem Selbstvertrauen. Wer zweifelt nach diesen Aktionen daran, dass wir nächste Saison ein Stadtderby spielen werden?

Zwei Gründe könnten Zweifel am Aufschwung aufkommen lassen. Der erste heißt erste Halbzeit. Schaut man sich das glücklose, schleppende, teils unambitionierte Agieren gegen Fürth vor der Pause noch einmal an, packt einen Entsetzen. Zweimal konnte Bouhaddouz den zugespielten Ball in erstklassiger Abschlussposition nicht kontrollieren. Auch Neudecker vergab eine Hereingabe des am rechten Flügel durchbrechenden, spielfreudigsten St. Paulianers (Şahin), weil er den von hinten heranrauschenden Fürther übersah. Viel unbeholfenes Bemühen. Einer Ungeschicklichkeit folgte umgehend die nächste.

Wie sollte man auch erwarten können, dass der offensiv ungelenke Abräumer Nehrig als Einzelsechser von hinten heraus die fünf Offensiven vor ihm lancieren könnte? 45 Minuten lang bescherten die Kiezkicker den eigenen Fans pure Verzweiflung. Und wir verschickten in der Pause schon mutlose SMS an Freunde: „So! Wird! Das! Nix!“

Der zweite Grund, der misstrauisch macht: der schwache Gegner. Greuther Fürth spielte gegen uns nicht zweitligareif. Natürlich hoffen wir: Es lag an unserer Defensivstärke, dass die Franken keine einzige zwingende Torchance erarbeiteten. Könnte stimmen; sicher sind wir uns da nicht.

Deshalb ist zwar die Hoffnung zurück. Aber zur Wiedererlangung unseres unerschütterlichen Selbstvertrauens brauchen wir weiteren exakt so schön wie in Fürth herausgespielten Nachschub. Herbstlichen Nachschub, in Form von drei Punkten: Am Samstag kommt Bochum, vier Tage später der Winter.