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Links Lavendel, rechts Schlamm

 

Wirre Striche, wenig Farbe: Der Portugiese Fernando de Brito malt in seinem Atelier in St. Georg Porträts, die nicht als solche zu erkennen sind. Wie kommt er dazu?

Alles begann mit einer Entscheidung, die Fernando de Brito noch während seiner Ausbildung fällte: „Die figurative Malerei, ich möchte es nicht können,“ sagte sich der Künstler. Bis heute zieht es den Portugiesen mit aller Kraft in die entgegengesetzte Richtung. Er gibt Menschen wider, ohne sie konkret abzubilden. Sein Ziel ist, den Menschen als räumliches Objekt auf eine Ebene, auf eine Form und eine Farbe zu vereinfachen. De Brito malt zwei Farben auf eine Leinwand und sagt, das seien der Musiker Keith Richards und seine Ehefrau Patti Hansen. Oder er zieht mit einem Kugelschreiber ein unförmiges Netz über ein Papier und sagt, das sei die Hamburger Künstlerin Hanne Darboven.

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Der Künstler Fernando de Brito. Foto: Giovanni Castell.

Das Atelier von Fernando de Brito liegt in St. Georg, in der Langen Reihe. Die Tür schließt sich und verschluckt die Mittagsgeräusche der Straße. Der lange kühle Korridor führt über wenige Stufen und einer kurzen Rechtsbiegung direkt in den charmanten Händedruck des Künstlers. Interessiert und beobachtend schaut er sein Gegenüber an. Meine Hand noch in seiner. Sein aufgeräumtes Atelier überrascht. Kein kreatives Chaos, wohlgeordnet liegen Malutensilien auf Tischen, jederzeit bereit für den nächsten künstlerischen Impuls. In dem Sechziger-Jahre-Bau befand sich früher eine bekannte Hamburger Strickmaschinenfabrik, heute zieht der Künstler hier die Fäden, seit sieben Jahren schon.

Dass de Brito für seine Porträts gewissermaßen auch strickt, ist auf seinen lebendigen Radierungen und Kugelschreiberzeichnungen zu erkennen: Ihre Grundstruktur erinnert an ein verzerrtes oder gestauchtes Millimeterpapier. Die Verschiebungen und Brüche der Linien auf dem Blatt formen den Menschen, geben die porträtierte Person wider. Das Abweichen von der Norm und die Dynamik der Linien schaffen die Einzigartigkeit, die jeden Menschen ausmacht. Wie die Wege des Lebens sind sie ineinander verwoben oder enden in einem großen offenen Bruch. Zu sehen ist dieser Stil etwa auf dem Bild, das der 58 Jahre alte Maler von der Künstlerin Hanne Darboven gefertigt hat.

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De Britos Kugelschreiber-Porträt der Hamburger Künstlerin Hanne Darboven aus seiner Serie NAMES.

Für seine Porträts überlässt de Brito nichts dem Zufall. Fünf bis sechs Tage sammele er alle für ihn wichtigen Informationen zu den Personen, erzählt er. Ihn begeisterten dabei vor allem die kleinen, nicht so bekannten Dinge. Seit 20 Jahren schon denkt der Künstler darüber nach, was die optimale Farbe für bestimmte Charakterzüge ist. Oft geht es nur um eine farbliche Nuance. De Brito malt fasziniert von der Materialität der Farbe. Sein Ziel ist es, den Menschen auf eine Form und eine Farbe zu reduzieren. Jeder Ton hat für ihn dabei eine Bedeutung, eine Funktion.

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Fernando de Britos Notizen zum Musiker Keith Richards und seiner Frau Patti Hansen.

Links Lavendel, rechts Schlamm, so sieht de Britos Paarporträt von Keith Richards und Patti Hansen aus. Aber sehen wir wirklich nur einfarbig gemalte Ölbilder? Was ist daran jetzt wirklich Kunst? Die Farbtöne sind schnell erfasst, man meint alles gesehen zu haben. Das aber ist eine Täuschung. Denn es geht dem Künstler um neue Denkanstöße in der Umsetzung, nicht in der Wiedergabe.

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Porträt von Keith Richards und Patti Hansen. Titel: Liason Matremoni, Patrich 2008-2012.

„Die Kunst ist es schuldig, den Betrachter an die Hand zu nehmen“. Und da ist er wieder, der verbindliche Händedruck am Anfang. Auch wenn Fernando de Brito das Erzählerische in seinen Bilder ausschließt und alles darin auf eine Farbe reduziert, es gibt viel zu sehen und zu verstehen. Diese Bilder sind eine Rückbesinnung auf die Malerei. Als radikal wird sie deshalb bezeichnet, weil es hier um etwas ganz Ursprüngliches geht: das Auftragen von Farbe. Jedes Bild ist ein Unikat, wie der Mensch den er malt. „Umso einfacher, banaler, oberflächlicher es aussieht, umso schwieriger war es das Porträt zu malen.“