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James Last in Hamburg

Hager im Glitzerjackett

 

Abschiedskonzert von James Last in Hamburg: Das Publikum wippt freundlich mit, erst bei den Volkslied-Medleys wird es ausgelassen. Am Ende: Ein Abgang ohne Sentimentalitäten.

Alle Vögel sind schon da und Im Wald und auf der Heide im Partysound, und (fast) allen gefällt’s – der gelernte Jazzmusiker James Last ist ziemlich schmerzfrei vorgegangen, um Platten zu verkaufen. Er und seine Hamburger Plattenfirma Polydor hatten damit die deutsche Nische entdeckt: 33 Non Stop Dancing-Alben gelangten zwischen 1965 und 1979 in die Charts, viele bis an die Spitze. Und das war nur eine der zahlreichen Last’schen LP-Serien. Die einigermaßen sinnentleerte Mischung aus Popschlager, Volksmusik und Klassik beschallte gutbürgerliche Wohnzimmerfeten einer ganzen Generation. Bitte mitklatschen, wahlweise Polonaise.

Die fällt in der riesigen O2-World am Donnerstagabend etwas bescheiden aus, wie überhaupt die Stimmung der knapp 3.000 Zuschauer gedämpft scheint. Die entsetzlichen Nachrichten aus Südfrankreich mögen eine Rolle gespielt haben. Das wehmütige Motto „Die große Abschiedstournee“ eine weitere. Aber es ist James Last, eine deutsche Institution, man will ihm noch einmal huldigen. Nach schwerer Krankheit versinkt der Bandleader nun hager im Glitzerjackett und steht mehr oder weniger regungslos mit dem Rücken zum Publikum auf der Bühne; die 26 Musiker könnten eigentlich auch ohne ihn spielen. Das ist ein bisschen betrüblich anzusehen, aber es ist der Lauf der Dinge, Last ist Jahrgang 1929.

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James Last und sein Orchester am Donnerstag in Hamburg (c) dpa

Bei Geschichten aus dem Wiener Wald bittet er zum Walzer, 20 Paare kommen der Aufforderung nach und drehen vor der Bühne ihre Runden. Alles wirkt ein wenig verloren. Vermutet man dann, dass beim (1:1 nachgespielten) Superhit Happy von Pharrell Williams die Halle in Sekunden Kopf steht, ist das Gegenteil der Fall: relative Gleichgültigkeit, die Nummer wird wohlwollend ausgesessen. Etwas zu modern, etwas zu viel Englisch, aber ganz nett, mal sehen, was er sonst noch bringt.

Biscaya zum Beispiel, die Akkordeon-Schunkelnummer von 1981, sein größter Singlehit. Seit Langem mal wieder im Programm, Joe Dorff ersetzt jetzt den verstorbenen Joe Ment am Lead-Instrument. Und man glaubt es oder man glaubt es nicht: Bei Rosamunde kurz vor Konzertende sind plötzlich alle auf den Beinen! Eigentlich könnte sich Last die mühsam und immerhin aufwendig arrangierten Popsongs sparen. Die Medleys, mit reichlich Volksliedern garniert, kommen immer noch am besten an.

Sein Orchester war immer Sammelbecken für bekannte Musiker, beispielsweise sitzt der souveräne Rockdrummer Stephan „Stoppel“ Eggert von Selig am Schlagzeug. Der frühere Westernhagen-Produzent Peter Hesslein ist seit 40 Jahren Stammgitarrist. Ingrid Arthur von den Weather Girls gehört zur fünfköpfigen Gesangsgruppe. Für einen erinnerungswürdigen Moment sorgt der amerikanische Trompeter Chuck Findley. Er bläst den West Side Story-Evergreen Somewhere zart und anrührend, seine Technik ist meisterhaft. Das wussten auch schon Steely Dan und Boz Scaggs Mitte der Siebziger, die den L.A.-Studiomusiker mehrfach buchten.

Dort entstand 1975 auch James Lasts LP Well Kept Secret mit erstklassiger Besetzung (Larry Carlton, Jim Gordon, …). Das gepflegte Jazzrock-Werk, inzwischen als In Los Angeles wieder erhältlich, ist für seine Verhältnisse ambitioniert, Crusaders-Fans kann man damit allerdings nicht beeindrucken. Die psychedelisch angehauchte LP Voodoo-Party (mit Everyday People von Sly & The Family Stone und Marvin Gayes Inner City Blues) schaffte es 1971 immerhin auf Platz 8 der deutschen Charts und findet sich daher bisweilen noch in Flohmarktkisten.

Keine dieser beiden einst gesuchten Platten spielte jedoch beim Easy-Listening-Revival um 1994 eine große Rolle, damals, als kunstvoll weichgespülte Unterhaltungsmusik der 60er und 70er Jahre neu entdeckt wurde. Die eleganten Vorbilder Ray Conniff, Burt Bacharach und Bert Kaempfert erreichte James Last nie – zu viel Schmiss, zu wenig Subtilität.

Auch die Rehabilitation mit den Hamburger Hip-Hoppern Fettes Brot 1999 gelang nur halbwegs. Last hinterließ bei den Fernsehauftritten zur Single Ruf mich an mit umgeschnalltem Fender Bass einen extrem souveränen Eindruck. Aber wo war in diesem Fall der versprochene Happy Sound? Leise Streicher im Hintergrund ergeben noch keine James Last-Assoziation. Etwas mehr Beachparty-Athmosphäre hätte vermutlich die Generationen vereint, so blieb nur Platz 53.

Viel freundliches Genuschel in der O2-World, wie gewohnt. Den One-Direction-Hit Story of My Life sagt James Last mit SCH an, schtory, das ist herrlich hanseatisch, der Bremer ist einfach ein norddeutsches Unikum. Keine große Verabschiedung, keine Sentimentalitäten, nüchtern wird „Tschüß“ gewinkt, das Saallicht brennt, bevor das Orchester die Bühne verlässt.

„Na Mensch, wenn’s in Hamburg immer so toll ist, dann müssen wir ja eigentlich wiederkommen…“, hatte er zwischendurch augenzwinkernd in Aussicht gestellt, vielleicht war es ja nicht als Gag gemeint. Dann aber bitte in einem würdigen Konzerthaus wie der Laeiszhalle, nicht im nach Pommesfett müffelnden Allzweckbau. Für seine englischen Freunde spielt er ja zum Abschied auch in der Royal Albert Hall.