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Karlsruhe - St. Pauli

So ungefähr wie Ronaldo

 

Nur ein 1:1 in Karlsruhe. Trotzdem wollen unsere Kolumnisten keinen Frust schieben. St. Pauli tut was für die fußballerische Außenwahrnehmung Hamburgs.

Nach der gefühlten Niederlage am Sonntag in Karlsruhe zeigte sich Trainer Ewald Lienen auf der anschließenden Pressekonferenz traurig: So viele schöne Chancen! Alle ungenutzt geblieben. Tatsächlich hätten spätestens nach der Halbzeitpause die Kiezkicker mit dem 2:0 den Sack zumachen müssen. Stattdessen erzielten Minuten später die Badener aus dem absoluten Nichts den Ausgleich.

So war es am Ende ein potenziell frustrierender fünfter Spieltag. Mit einem Unentschieden, das dem FC St. Pauli nicht viel nützt. Wir hätten den Anschluss ans Mittelfeld der Tabelle schaffen können, gegen einen unsicheren Gegner, den man einfach schlagen muss. Stattdessen dümpeln wir weiter im Keller. Mit vier Punkten, einem mickrigen vor dem Relegationsplatz.

Der traurige Trainer weigerte sich dennoch, nach dem Spiel das Positive zu übersehen: „Wir nehmen den Punkt jetzt mit und wollen den Aufwärtstrend weiter fortsetzen“, sprach Lienen – und reiste mit der Mannschaft zurück in den Norden.

Auch uns fällt es schwer, Frust zu schieben. Dafür gibt es erst einmal einen triftigen Grund, der in den Hamburger Außenbezirken liegt. Dort verankert ist ein Verein, dem es noch viel schlechter geht. Nun gut, diesem HSV geht es grundsätzlich schlecht, seit Jahrzehnten. Aber im Moment geht es ihm so saumäßig schlecht, dass man fast Erbarmen haben müsste. Selbst seine Fans liefern desolate Leistungen: protestieren vor dem Spiel gegen den Multimillionensupport für die Leipziger Bullen durch einen Getränkehersteller und vergessen, dass sie selbst abhängig sind von den Multimillionen eines Spediteurs. Mit einem Unterschied: Leipzig hat Erfolg.

Wir sparen uns das Erbarmen für den Stadtrivalen. Aber aufgrund seiner konsequenten Schwäche fühlen wir uns verpflichtet, Hamburger Stärke zu zeigen. Will heißen: Der FC muss wieder einmal den positiven Part für die Außenwahrnehmung übernehmen.

Nichts leichter als das. Das Spiel am Sonntag durch den Positivfilter gesehen:

  • In der ersten Halbzeit war unsere Verteidigung um den wieder genesenen Lasse Sobiech ein Bollwerk.
  • Wir produzieren derzeit so viele Torchancen wie seit Jahren nicht.
  • Mit unserem Marokkaner Aziz Bouhaddouz haben wir endlich einen Stürmer, der ab und an eine Chance in ein Tor verwandelt.
  • Wenn unser Koreaner Kyoung-Rok Choi sich künftig entscheiden kann, links oder rechts am Torhüter vorbeizuschießen, sobald er alleine auf ihn zuläuft: dann schießen wir bald auch sichere Tore.
  • Unser Norweger Vegar Eggen Hedenstad schießt Freistöße ungefähr wie Christiano Ronaldo.
  • Der Seitenfallrückzieher unseres Japaners Ryō Miyaichi sah auch schon fast so aus wie jener von Xherdan Shaqiri bei der Euro 2016.
  • Wenn unser neuer Dortmunder Marvin Ducksch das nächste Mal einschussbereit vor dem Tor steht, wird seine Lösung nicht mehr nach erstem Schultag riechen, sondern womöglich nach Routine.
  • Lasse Sobiech schoss am Sonntag (in der zweiten Halbzeit) um ein Haar zwei Eigentore. Heißt: Eigentorgefahr für diese Saison ist aufgebraucht.

Doppelt Optimismus und Sechspunktefreude verbreiten aber auch die nächsten Gäste, die freundlicherweise nach Hamburg kommen. Es sind allesamt Münchner, und sie versprechen optimale Punkteausbeuten. Wir erhalten am Donnerstag Besuch von den 1860ern – und der HSV am Samstag von den Bayern!